Hartz IV: Keine Ablehnung von “Zumutbare Arbeit”

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Hartz IV- Empfänger dürfen zumutbare Arbeit nicht mit der Begründung ablehnen, sie wollen sich beruflich verändern

Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (Az. L 5 AS 79/08) urteilte: Arbeitslosengeld II (ALG II) Empfänger dürfen eine "zumutbare Arbeit" nicht mit der Begründung ablehnen, sie wollen sich beruflich verändern. Auszüge aus dem Urteil:

Soweit in vergleichbaren Fällen zur Begründung einer fehlenden hinreichenden Bestimmtheit in Teilen der Rechtsprechung angeführt wird, dem Betroffenen müsse es möglich sein, auf die Absenkung zu reagieren und von vornherein zu entscheiden, auf welche Weise er den ggf. fehlenden Bedarf decken kann, könnte dieses Argument allenfalls für Absenkungsbeträge oberhalb eines genannten Betragsrahmens angeführt werden. Wird jedoch, wie im vorliegenden Fall, eine maximale Absenkungssumme genannt, tangiert ein gleich hoher oder gar geringerer Absenkungsbetrag nicht die Dispositionsbefugnis des Betroffenen.

Aus diesem Grund kann der Senat die Frage offen lassen, ob eine fehlende hinreichende Bestimmtheit des Absenkungsbescheides im Widerspruchsbescheid geheilt werden kann (so LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Februar 2009, L 3 AS 3530/08; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. Oktober 2008, L 5 AS 449/08).

Der Kläger hat sich durch das Unterlassen einer Bewerbung auf einen der drei Vermittlungsvorschläge geweigert, eine Arbeit aufzunehmen. Unter "Weigern" ist eine ausdrückliche oder stillschweigend zum Ausdruck gebrachte fehlende Bereitschaft zu verstehen, sich entsprechend der gesetzlichen Verpflichtung zu verhalten. Ein Nichtstun wie hier ist als Weigerung der Aufnahme einer zumutbaren Beschäftigung im Sinne von § 31 Abs. 1 Ziff. 1 c) SGB II zu sehen.

Grundsätzlich ist gemäß § 10 Abs. 1 SGB II dem Hilfebedürftigen jede Arbeit zumutbar. Hier liegt keiner der Fälle im Sinne von § 10 Abs. 1 Ziff. 1 bis 5 SGB II vor, der die Arbeitstätigkeit und damit auch eine Bewerbung auf die Stelle unzumutbar gemacht hätte.

Ein "sonstiger wichtiger Grund" im Sinne von § 10 Abs. 1 Ziff. 5 SGB II kann nicht darin gesehen werden, dass der Kläger nach seinen Angaben im Klageverfahren den Wunsch nach einer beruflichen Veränderung hatte und sich dem Bereich der Lageristik zuwenden wollte. Für die Frage der Abwendbarkeit von Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme einer zumutbaren Tätigkeit spielen subjektive Neigungen keine Rolle.

Für die Bestimmtheit eines Arbeitsangebots orientiert sich der Senat an den Kriterien des Bundessozialgerichts zum Recht des Dritten Buches Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III). Danach genügt es für die Bestimmtheit gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, wenn der Arbeitgeber sowie die Art der Tätigkeit benannt sind (BSG, Urteil vom 05. September 2006, B 7a AL 14/05 R). Dem Zweck der Konkretisierungspflicht wird dann genügt, wenn der Arbeitsuchende auf der Grundlage der Angaben im Vermittlungsvorschlag in die Lage versetzt wird, ein Vorstellungsgespräch mit dem künftigen Arbeitgeber zu vereinbaren. Dazu ist es nicht etwa erforderlich, schon die Gehaltsvorstellungen des Arbeitgebers in den Vermittlungsvorschlag aufzunehmen. Solche Fragen hängen stark von der Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses oder von tariflichen Bindungen ab und sind demnach einem Vorstellungsgespräch vorbehalten.

Die Rechtsfolgenbelehrung zu dem Vermittlungsvorschlag für das Stellenangebot bei der Gesundheits- und Tagungszentrum W. GmbH & Co. KG genügt auch den formalen Anforderungen. Sie muss inhaltlich konkret, verständlich, richtig und vollständig sein, um ihrem Zweck, der Warn- und Steuerungsfunktion, zu genügen. Dafür ist eine konkrete Umsetzung auf den jeweiligen Einzelfall erforderlich. Es reicht mithin nicht aus, dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ein Merkblatt in die Hand zu geben, aus dem er die für seinen Fall maßgebenden Voraussetzungen und Rechtsfolgen selbstständig ermitteln muss (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008, B 4 AS 60/07 R (35 f.)).

Entsprechend der gesetzlichen Vorgaben hat der Beklagte auch den Absenkbetrag in Höhe von 30% von 347,00 EUR (= 104,10 EUR) abgerundet gemäß § 41 Abs. 2 SGB II auf den vollen Euro-Betrag von 104,00 EUR. Diese Vorschrift ist nicht nur bei der Leistungsbewilligung, sondern auch bei der Ermittlung des Absenkungsbetrags anzuwenden (Eicher/Spellbrink, a.a.O. § 41, Rnr. 17). (Tacheles. e.V. 25.11.2009)

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