Hartz IV: Kein Geld für Umgang der Kinder

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Kein Hartz-IV-Zuschlag für Umgang mit Kind der Ex-Partnerin

16.02.2016

Das Jobcenter ist nicht verpflichtet, einem Hartz IV Leistungsempfänger die Kosten für eine größere Wohnung zu bezahlen, nur weil sich dort regelmäßig auch das Kind der Ex-Partnerin aufhält. Das urteilte das Sozialgericht Berlin (Az: S 82 AS 17604/14 ) Zwar kann die Ausübung des Rechts auf Umgang mit einem Kind sozialrechtliche Ansprüche begründen. Voraussetzung hierfür ist jedoch die leibliche oder zumindest rechtliche Elternschaft des Leistungsempfängers. Sog. „soziale Eltern“ haben keine sozialrechtlichen Ansprüche, selbst wenn sie Bezugs- und Vertrauensperson des Kindes sind. In Ausnahmefällen kommen allenfalls Ansprüche des Kindes selbst in Betracht.

Zum Hintergrund: Wenn sich Paare mit Kindern trennen, wirft dies nicht nur familien- und zivilrechtliche Fragen auf, sondern auch sozialrechtliche Probleme, sofern die Betroffenen staatliche Hilfeleistungen erhalten. Im Grundsatz sind Ansprüche von Hartz IV Empfängern auf Leistungen zur Ausübung des Umgangsrechts mit ihren getrennt lebenden Kindern inzwischen rechtlich anerkannt. In Betracht kommen zum Beispiel die Kosten für die Fahrt zum Kind oder die Vorhaltung eines Kinderzimmers für das zu Besuch kommende Kind (vgl. hierzu auch die Pressemitteilung vom 6. September 2013 „Mit Hartz IV nach Australien – Vom Recht auf Umgang mit seinem Kind“ ). Nicht alle tatsächlich auftretenden Formen familiären Zusammenlebens (Stichwort Patchworkfamilie) spiegeln sich indes in rechtlichen Ansprüchen wider.

Zum Fall: Die Klägerinnen zu 1) und 2) lebten 2013 zusammen mit der Tochter der Klägerin zu 1) in einer 97 qm großen Vierzimmerwohnung in Berlin-Lichtenberg, für die sie eine Bruttowarmmiete von 774 Euro zahlen mussten. Das beklagte Jobcenter Berlin-Lichtenberg hielt diese Miete für unangemessen hoch und gewährte ab Juli 2013 nur noch 603 Euro monatlich. Dagegen wandten die Klägerinnen ein, dass jedes zweite Wochenende und jeweils von Montag bis Mittwoch eine weitere Person in der Wohnung lebe, nämlich die 5-jährige Tochter der Ex-Partnerin der Klägerin zu 2). Die Klägerin zu 2) sei die „soziale Mutter“ dieses Kindes, sie sei Bezugs- und Vertrauensperson. Auch das Jugendamt habe den Umgang des Kindes mit der Klägerin zu 2) für pädagogisch sinnvoll erachtet. Wegen der regelmäßigen Besuche des Kindes bestehe Raumbedarf für vier statt nur drei Personen. Die Wohnung sei deshalb nicht unangemessen teuer.

Die 82. Kammer des Sozialgerichts Berlin (in der Besetzung mit einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern) hat die im Juli 2014 erhobene Klage am 27. Januar 2016 durch schriftliche Entscheidung ohne mündliche Verhandlung abgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht Folgendes ausgeführt: Bei der Prüfung, welche Mietkosten angemessen seien, sei nur von einem Drei-Personen-Haushalt auszugehen. Für einen Anspruch der Klägerinnen auf höhere Mietzuschüsse sei nämlich Voraussetzung, dass die Klägerin zu 2) durch die Besuche des Kindes ihrer Ex-Partnerin ein verfassungsrechtlich geschütztes Umgangsrecht als Elternteil ausübe. Für die Schutzbedürftigkeit des Elternrechts mache es dabei keinen Unterschied, ob die Eltern gleichen oder verschiedenen Geschlechts seien. Es sei jedoch ein Elternverhältnis erforderlich, das durch Abstammung oder rechtliche Zuordnung (zum Beispiel Adoption) begründet werde. Eine rein soziale Elternschaft – wie bei der Klägerin zu 2) im Verhältnis zum Kind ihrer Ex-Partnerin – vermittle keine grundrechtlich anerkannte und damit leistungsrechtlich relevante Elternposition. Die Situation einer bloß sozialen Bezugs- und Vertrauensperson unterscheide sich insoweit wesentlich von der eines leiblichen oder rechtlichen Elternteils. Daran würde sich selbst dann nichts ändern, wenn die Klägerin zu 2) als Bezugsperson des Kindes gegenüber der sorgeberechtigten Person ein zivilrechtlich tituliertes Umgangsrecht innehätte. Ein derartiges Umgangsrecht hätte nämlich vorrangig den Zweck, das Kindeswohl zu sichern, nicht aber, finanzielle Ansprüche der Bezugsperson zu begründen.

In Betracht kämen somit allenfalls sozialrechtliche Ansprüche des Kindes selbst. Diese habe das Gericht indes nicht prüfen müssen, weil es nicht als Klägerin aufgetreten sei. Anerkannt werden könnte womöglich eine besondere, atypische Bedarfslage des Kindes, sofern häufige und lange Besuchskontakte zum Beispiel zur Vermeidung oder Linderung von Entwicklungsstörungen notwendig seien.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Klägerinnen können es mit der Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in Potsdam anfechten. (pm)

Bild: dmitrimaruta – fotolia

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