Weniger Hartz IV Leistungen, dafür mehr Sanktionen

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Noch nie wurden so wenig Hartz IV Zahlungen an Bedarfsgemeinschaften entrichtet und derart viele Sanktionen ausgesprochen

11.04.2012

Die Sanktionen der Jobcenter gegenüber Hartz IV-Beziehern haben erneut massiv zugenommen und erreichen damit einen neuen Rekordstand. Im Gegensatz dazu sind die Leistungszahlungen an Bedarfsgemeinschaften im Durchschnitt trotz höherer Regelleistungen stark gesunken.

Noch nie wurden seit Bestehen der sogenannten Arbeitsmarktreform Hartz IV derart viele Leistungskürzungen bei ALG II Beziehern durchgeführt, wie es im letzten Jahr der Fall war. Das ergeht aus einer internen Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA). Demnach wurden im Jahre 2010 genau 829 375 Sanktionen ausgesprochen, im Jahre 2011 stieg die Anzahl auf 912 377. Im Durchschnitt wurden den Betroffenen 115,99 Euro monatlich „als Strafe“ gekürzt.

Die meisten Sanktionen aufgrund von Meldeversäumnissen
Die meisten Leistungskürzungen wurden aufgrund von Meldeversäumnissen und Terminverweigerungen verhängt. Hier betrug die Anzahl der Betroffenen laut BA genau 582.253. Aufgrund von Pflichtverletzungen bei den Eingliederungsvereinbarungen wurden 2011 exakt 147.436 Kürzungen verhängt. Wegen der Weigerung oder Fortführung einer Arbeitsgelegenheit (Ein-Euro-Job, Zeitarbeit, Fortbildung oder Weiterbildung) wurden in 138.312 Fällen Sanktionen durch die Jobcenter ausgesprochen.

Berlin mit den meisten Sanktionierungen
Im Verhältnis zur Einwohnerzahl wurden in Berlin die Meisten Kürzungen verhängt. Hier lag der Anteil bei 4,4 Prozent. Beinahe ebenso hoch lag die Quote in Rheinland-Pfalz mit 4,1 Prozent und in Hamburg mit 3,8 Prozent. Das Bundesland mit der geringsten Sanktionsquote war das Land Bremen mit 2,7 Prozent.

Trotz höherer Regelleistungen weniger Geld
Im Dezember 2011 registrierte die BA rund 3,3 Bedarfsgemeinschaften. Im Schnitt wurde pro leistungsberechtigtem Haushalt durchschnittlich 807,29 Euro pro Monat gezahlt. Laut Statistik wurden noch nie so wenig Zahlungen an Bedarfsgemeinschaften entrichtet seit Einführung von Hartz IV. Im Vorjahreszeitraum (Dezember 2010) lag die Summe trotz niedrigeren Regelleistungen noch bei 839,69 Euro und im Jahre 2006 sogar bei 870,26 Euro je Bedarfsgemeinschaft.

Interne Vorgaben zur Quotenerfüllung
In den letzten Jahren ist die Sanktionsquote immer weiter angestiegen. Das liegt nicht etwa daran, dass mehr „Vergehen“ begangen wurden, sondern weil die BA die Jobcenter-Mitarbeiter dazu anhält, „konsequent durchzugreifen“, auch wenn nur Bagatell-Vergehen vorliegen. Es existieren zudem interne Berichte, nachdem sogenannte Sankionsqouten den Sachbearbeitern vorgeben werden (dazu mehr: Quoten Vorgabe bei Hartz-IV Sanktionen). Jeder Jobcenter-Mitarbeiter ist dazu angehalten, bestimmte Quoten umzusetzen. Diese Quotenvorgaben werden zwar nicht öffentlich kommuniziert, werden aber von leitenden Behördenmitarbeitern bestätigt. So wird im Zweifelsfall immer gegen den Betroffenen entschieden. Schließlich können so auch Ausgaben auf Kosten der Leidtragenden gespart werden, wie die gesunkenen Zahlungen an Bedarfsgemeinschaften zeigen.

Weniger Betrugsfälle
Indirekt gibt das auch ein Sprecher der BA zu. Denn er weist Medienberichte in diesem Zusammenhang zurück, die von "mehr Betrugsfälle" plakativ berichten. „Die reinen Missbrauchsfälle und Betrugsfälle steigen nicht an. Wir haben überwiegend Meldeversäumnisse, das hängt auch mit der guten konjunkturellen Entwicklung zusammen“, sagte der Sprecher. Denn die reinen Missbrauchsfälle, also in jenen Fällen, wenn Antragsteller trotz einer nicht gemeldeten Jobtätigkeit Hartz IV Leistungen bezieht, sind deutlich zurück gegangen. Die BA leitete im vergangenen Jahr rund 177.500 Straf- und Bußgeldverfahren aufgrund von Betrug beim Arbeitslosengeld II ein. Das sind knapp 22 Prozent weniger als im Jahr zuvor. (sb)

Hartz IV Beziehern drohen Kürzungen sogar bis zu 100 Prozent, wenn wiederholte „Vergehen“ nach Meinung der Jobcenter stattgefunden haben. Wurde eine Kürzung um mehr als 30 Prozent ausgesprochen, so sind die Ämter dazu verpflichtet, wenigstens Lebensmittelgutscheine auszugeben. Was viele Betroffene nicht wissen: Eine Sanktion ist laut der gängigen Rechtsprechung nur dann zulässig, wenn im Vorfeld aussagekräftig über die Rechtsfolgen belehrt wurde. In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass Strafen ausgestellt werden, obwohl nicht eingehend über die Folgen belehrt wurde. Daher sind Sanktionen immer wieder Gegenstand von Klagen vor den Sozialgerichten.

Bild: Dr. Klaus-Uwe Gerhardt / pixelio.de

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