Statt weniger mehr Hartz IV Bürokratie?

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15.02.2016

Dass was als „Rechtsvereinfachungen im SGB II“ daher kommt, hat es an vielen Stellen in sich. Statt Prozesse zu vereinfachen, werden stellenweise Verschärfung vorgenommen. Hartz IV Beziehende sind allein durch die neuen Sanktionsmöglichkeiten massivsten Armutsgefahren ausgesetzt. Während Erwerbslosengruppe derzeit Sturm gegen die Verschärfungen laufen, ist von der Politik und auch der Wissenschaft nur wenig zu vernehmen. Nun aber meldet sich Ute Fischer, Professorin für Politik- und Sozialwissenschaften an der Fachhochschule Dortmund, zu Wort. Statt zu Vereinfachungen kommt es an zahlreichen Stellen zu mehr Bürokratie. Und das zu Lasten der Betroffenen.

Hartz IV ist kompliziert. Eine Vereinfachung des Systems wäre für alle Seiten eine enorme Verbesserung. „Es gibt einen Regelsatz von derzeit 404 Euro, doch der gilt nicht für alle Empfänger gleichermaßen. Zudem sind viele Details darin nicht enthalten, die für die einzelnen Hilfebedürftigen gesondert beantragt und berechnet werden müssen. Das betrifft nicht nur die Kosten für Unterkunft und Heizung, sondern auch Mehrbedarfe beispielsweise bei werdenden Müttern oder Sonderbedarfe wie eine mehrtägige Klassenfahrt“, bemängelt Prof. Ute Fischer. Die Leistungsabteilungen stehen unter permanenten Stress. Sie müssen viele Einzelberechnungen vornehmen. „Häufig kommt es dabei zu Fehlern. Nach einer internen Revision der Bundesagentur für Arbeit im Jahr 2014 ergab sich eine Fehlerquote von fünf Prozent. In Einzelaspekten wie etwa bei der Anrechnung anderer Sozialleistungen waren sogar 47 Prozent der Bescheide fehlerhaft. Für die Hilfebedürftigen gehen mit solchen Fehlern zum Teil dramatische Wartezeiten auf Leistungen einher. Dieser Arbeitsaufwand führt zudem dazu, dass nur die Hälfte der Beschäftigten in den Jobcentern für Beratung und Vermittlung zur Verfügung stehen – statt der ursprünglich geplanten 80 Prozent. So bleibt oft zu wenig Zeit für eine angemessene Begleitung der Arbeitslosen.“

Eine Vereinfachung stellt der neue Bewilligungszeitraum da. Statt einem halben Jahr, werden dann im Grundsatz die Leistungen für ein Jahr bewilligt. „Die Verlängerung der Bezugsdauer ist ein Schritt in die richtige Richtung. Er reduziert den Aufwand für Anträge, Bewilligungen und die komplizierte Kommunikation zwischen Behörde und Klient“, betont Fischer. Doch der gesamte Arbeitsaufwand soll sich gerade einmal um ein Prozent reduzieren. „Der Effekt durch das sogenannte Vereinfachungsgesetz ist also minimal. Stattdessen werden weitere Anlässe für bürokratische Kontrollen geschaffen, etwa durch die Ausweitung der Eingliederungsvereinbarung. Man erkennt daran ein Misstrauen. Und Misstrauen führt zu mehr Bürokratie.“

Die Expertin spricht sich eher für eine „Trennung von Auszahlung und Beratung bei möglichst starker Pauschalierung des Grundsicherungsbetrags“ aus. „Nur so könnten Einzel- und Sonderfallberechnungen entfallen. Der Pauschalbetrag, der Regelsatz, müsste dann hoch genug sein, damit auch Wohnungs- und Nebenkosten abgedeckt sind. Am wichtigsten aber scheint mir ein Umdenken zu sein: Wenn die Behörde – und der Gesetzgeber – darauf verzichten würde, besser zu wissen, was der oder die Einzelne wirklich will und welche Tätigkeiten zu ihm oder ihr passen, erst dann würde auch die Beratung in den Jobcentern zu einer professionellen Hilfeleistung. Solange aber die Eingliederung in Arbeit um jeden Preis den „Geist“ der Sozialpolitik prägt, werden Hilfebedürftige entmündigt und der Entwicklungsprozess nachhaltig gestört.“ (sb)

Bild: VRD – fotolia

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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