Sozialer Arbeitsmarkt: Denkt die Bundesagentur um?

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Sozialer Arbeitsmarkt – Denkt die Bundesagentur um?

30.06.2017

Trotz des „Jobwunders“ stagniert die Zahl der Langzeiterwerbslosen auf hohem Niveau. Arbeitsexperten fordern deshalb seit Jahren einen sozialen Arbeitsmarkt für die Betroffenen mit subventionierten Löhnen.

Wer will, findet einen Job?
Die Bundesagentur für Arbeit lehnte einen solche sozialen Arbeitsmarkt bisher rigoros ab, sondern behauptete, in Zeiten des Jobbooms könne jeder und jede, der oder die wolle, einen Job finden. Dies ging einher mit der „Hartz IV Philosophie“, dass Erwerbslose nur erwerbslos seien, weil sie sich nicht genug um eine Stelle kümmern würden. Doch der Boss der Bundesagentur, Detlef Scheele, fordert jetzt selbst einen sozialen Arbeitsmarkt für 100.000 bis 200.000 Langzeitarbeitslose.

Statt Hartz IV reguläre Arbeit
Ein sozialer Arbeitsmarkt würde bedeuten: Die Betroffenen bekämen keine Hartz IV Mittel mehr, sondern einen regulären Arbeitsplatz mit Sozialversicherung. Damit wären sie normale Arbeitnehmer.

Angebot für Langzeitarbeitslose
Das Angebot solle gelten, so Scheele für „sehr marktferne Menschen, die mittel- bis längerfristig keine Chance auf eine Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt haben.“ Konkret geht es vor allem um Menschen, die seit mindestens vier Jahren erwerbslos, alt und gesundheitlich eingeschränkt sind.

Bisher sollten Ein-Euro-Jobs „zusätzlich, im öffentlichen Interesse und wettbewerbsneutral“ sein. Jetzt geht es um wirkliche Jobs, „nah an der realen Arbeitswelt und wertschöpfend“
.
Diakonie warnt vor hohen Kosten
Der Bundesverband der Diakonie hält die Idee zwar für gut, erinnert aber daran, dass für die Lohnzuschüsse für 100.000 Erwerbslose 1,4 Milliarden Euro im Jahr da sein müssten. Zudem sollten von einem sozialen Arbeitsmarkt bis zu 480.000 Erwerbslose profitieren.

Problem sind die Arbeitgeber
Das wesentliche Problem seien aber die Arbeitgeber. Die müssten nämlich dazu bereit sein, die Betroffenen einzustellen. Die Lohnkostenzuschüsse sollten ihnen das schmackhaft machen. Die Diakonie möchte, dass mindestens 75 % des Gehalts in den ersten zwei Jahren vom Staat bezahlt werden müssten.

Die Bundesagentur möchte die subventionierten Jobs befristen. Sie dienten dazu, die „Beschäftigungsfähigkeit“ der Betroffenen zu verbessern und so einen Übergang in einen normale Beschäftigung ermöglichen. Dies ginge einher mit einer sozialpädagogischen Betreuung.

Die Ein-Euro-Job-Lüge
Subventionierte Arbeit könnte viele Hartz IV Betroffene tatsächlich entlasten, aus mehreren Gründen.
Der erste ist die Lüge, die Ein-Euro-Jobs, in die Hartz-IV Abhängige gezwungen wurden, seien „zusätzlich, im öffentlichen Interesse und wettbewerbsneutral“ . In realitas versorgten sich Kommunen und Unternehmen, private Firmen und öffentliche Institutionen durch die Ein-Euro-Jobs mit regulären Arbeitskräften für ein Taschengeld.

Moderne Sklaverei
Ob Gärtnern in öffentlichen Grünflächen, Reinigung von Rathäusern, Bauarbeiten, Gruben ausheben, Hausmeisterjobs oder Abrackern in der Landwirtschaft. „Ein Euro Job“ hieß das Zaubermittel, um Lohnkosten zu sparen – durch moderne Sklaverei. Für die gleiche Tätigkeit gab es jetzt am Tag so viel wie sonst in einer halben Stunde.

Bisweilen sollten Hartz IV Abhängige denselben Job, den sie zuvor als regulär Beschäftigte ausgeübt hatten, jetzt für einen Euro die Stunde durchführen. Für Arbeitgeber war es ein Geschenk: Sie bekamen oft Hochqualifizierte im Wortsinn für „nen Apppel und nen Ei“ die Stunde. Zumindest mit der Lüge der „zusätzlichen“ Jobs wäre es jetzt vorbei. Statt reguläre Arbeit als angeblich nicht reguläre durchzuführen, wären die realen Jobs jetzt auch als reale deklariert.

Weg vom Jobcenter
Die zweite positive Weichenstellung wäre, dass die Betroffenen endlich Ruhe vor den Schikanen der Jobcenter hätten. Sie würden einen regulären Lohn für eine reguläre Arbeit bekommen, ohne, dass die Mitarbeiter der Jobcenter ständig in ihre Intimsphäre eingreifen würden. Für die psychische Gesundheit der Betroffenen wäre das eine große Erleichterung. (Dr. Utz Anhalt)

Bild: Thomas Reimer / Fotolia.com

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