Karsten Dörre: WASG keine Alternative

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Der Artikel "WASG: Weniger Hartz-IV durch linke Partei?" auf Ihrer Internetseite lässt mich für die Zukunft erschaudern. Ein Leserbrief von Karsten Dörre, ex WASG Spitzenkandidat

40-50 Prozent der Wähler gehen nicht mehr zu Wahlen. Sie beginnen ihren Artikel mit "Zweidrittel der Bürgerinnen und Bürger meinen, daß es in unserem Land ungerecht zugeht. Alles kein Wunder." Richtig, ein Wunder ist das nicht. Ich bezeichne es eher wunderlich, was auch die Linkspartei/WASG neben den anderen Altparteien veranstaltet. Wenn dann auch noch weiter unten im Artikel auftaucht, "Bei allem ist klar: Zur Vereinigung der Linken im Juni 2007gibt es keine Alternative.", dann bin ich an E.Honecker erinnert, der zum 40. Jahrestag der DDR nuschelnd ebenso was von Alternativlosigkeit darbot:" Der Sozialismus in seinem Lauf, hält weder Ochs noch Esel auf."

Soziale Gerechtigkeit steht mittlerweile bei allen Altparteien im Programm. Kurz und ohne Erklärung, wem die soziale Gerechtigkeit anheim fallen soll. Parteien, die zur sozialen Gerechtigkeit aufrufen, locken niemanden mehr zur Wahl hervor. Die Bürger sind der Strategie der Begriffsbesetzungen von Altparteien überdrüssig, wohlwissend diese Parteien versprechen das Blaue vom Himmel, nur holen muss man es sich selbst. Das weiß der Bürger auch ohne Altparteien-Propheterie.

Im Land Berlin operiert bereits die Vorhut der links-neoliberalen Linkspartei. In Mecklenburg-Vorpommern wurde sie von den Bürgern (!) aus Regierungsverantwortung abgewählt, nachdem sie bereits 2002 schwere Verluste hinnehmen mußte. Der Bürger in Mecklenburg-Vorpommern hat richtig erkannt, es gibt bereits genügend neoliberale Parteien, da muss die Linkspartei nicht auch noch dazugewählt werden. Die Berliner Genossen werden durch ihre Landespolitik die Glaubwürdigkeit der "neuen linken Partei" auf Bundesebene nicht stärken. Ziel ist gerade die links-neoliberale Strategie, eben nicht von anderen Alt-Parteien unterscheidbar zu sein sondern das Gegenteil. Der Landtagswahlkampf der Linkspartei.PDS in Mecklenburg-Vorpommern 2006 bot bereits eine vielfältige Bandbreite dieser Strategie da. Da wurde mit Plakaten "Gemeinsam für mehr Gerechtigkeit" geworben. Wer sich hinter dem "gemeinsam" verbirgt, wurde durch Peter Ritter, Landesvorsitzender der Linkspartei.PDS Mecklenburg-Vorpommern, nach den Landtagswahlen deutlich, der sich eine Koalition aus SPD, FDP und Linkspartei vorstellen könne, nachdem die SPD der Linkspartei einen Korb gab und der CDU annäherte. Ein Großplakat in blütenweißen Weiß mit folgendem Zitat bot dann den größten Lacher in der Geschichte der Linkspartei.PDS in Mecklenburg-Vorpommern nach acht Jahren Regierungsbeteiligung:"Der höchste Grad von Ungerechtigkeit ist geheuchelte Gerechtigkeit. (Platon)".

Alle Landtagswahlen nach der Bundestagswahl 2005 bis heutigen Datums wurden Verlustwahlen in Ost und West für die Linkspartei/WASG. Ihr Hinweis, die Bundestagsfraktion zu stärken kommt einem Don-Quichotte-Angriff gleich. Warum solle das Parteivolk die Bundestagsfraktion stärken, wenn die Bundes- und Landesvorstandsebenen der noch beiden Parteien der Phantasielosigkeit und Mutlosigkeit nachgehen und ihre politische Risikobereitschaft gegen Null tendiert?

Es gibt keine Alternativen? Wem in Deutschland interessiert es, was die Bundestagsfraktionen beschliessen oder ablehnen? Wem interessiert es, wenn ein Bundestagsabgeordneter der Kanzlerin Handschellen auf ihren Tisch legt und dabei beinahe in die Hosen macht, weil er glaubt, er hätte was revolutionäres getan?

Die Zeiten sind vorbei, wo die Linkspartei.PDS eine Alternative bei Wahlen war. Heute ist sie eingebettet im neoliberalen Schlafzimmer, fühlt sich dort wohl und lässt sich den Kaffee ans Bett bringen und deklariert von Zeit zu Zeit mal "Abschied und Wiederkehr" – abends einschlafen und morgens aufwachen – welch bahnbrechende Erkenntnis.

Der Kampf um die politische Wahlmitte hat in der Linkspartei eingesetzt. Dort will man mit fünf anderen Altparteien um die Gunst der Wähler buhlen. Die 40-50 Prozent Nichtwähler sind uninteressant geworden. Man hat zudem eh kein passendes Personal, die Nichtwähler wenigstens zu kontaktieren. Wenn eine wirklich einzigartige linke Partei nur der Mitte-Wählerschaft vertraut, dann sollte sie als erstes den Namen Links aus dem Parteinamen streichen! Eine weitere neoliberale Partei braucht kein Mensch in Deutschland!

Mit freundlichen Grüßen, Karsten Dörre
(Ex-Landessprecher WASG Mecklenburg-Vorpommern, Ex-Landesvorstand WASG Mecklenburg-Vorpommern, "Spitzenkandidat" WASG Mecklenburg-Vorpommern zur Landtagswahl 2006, seit 1.1.2007 kein WASG- oder Linksparteimitglied)

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