Jobcenter wollen Telefonnummern geheim halten

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Jobcenter sind nur über Callcenter erreichbar

16.01.2014

Wer sich mit einem Anliegen an das zuständige Jobcenter wenden möchte, braucht vor allem eins: Geduld. Einfach kurz anrufen und eine Frage stellen, ist nicht möglich. Es sei denn, es wird die meist kostenpflichtige Servicenummer angerufen. In der Regel bleibt Hartz IV-Beziehern nur der schriftliche Weg oder die Vereinbarung eines Termins vor Ort. Dringende Angelegenheiten, die keinen zeitlichen Aufschub dulden, bleiben deshalb regelmäßig auf der Strecke.

Das Nachsehen haben die Hartz IV-Bezieher, für die Jobcenter hat ein solches Verhalten dagegen keinerlei Konsequenzen. Im Januar letzten Jahres urteilte jedoch das Leipziger Verwaltungsgericht, dass Hartz IV-Bezieher sehr wohl Anspruch auf Informationsfreiheit und damit auch auf die telefonische Erreichbarkeit der Mitarbeiter im Jobcenter haben. Doch die meisten Ämter weigern sich weiterhin, ihre Telefonnummern preiszugeben. Das Leipziger Jobcenter ging schließlich in Berufung. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist somit nicht rechtskräftig geworden und die nächst höhere Instanz, das sächsischen Oberverwaltungsgerichts, muss sich nun mit dem Fall beschäftigen. Der Arbeits- und Sozialrechtler Harald Thomé wollte diese Ungerechtigkeit nicht hinnehmen und veröffentlichte im Laufe des vergangen Jahres rund 150 ihm bekannte Telefonnummern von Jobcentern aus ganz Deutschland. Aufgrund starker Anfeindungen und Androhungen von Strafverfahren, musste Thomé die Aktion leider einstellen.

Jobcenter schotten sich ab
Das Urteil des Leipziger Verwaltungsgericht vom 10. Januar vergangenen Jahres weckte Hoffnung, dass sich tatsächlich etwas ändern könnte. Der Leipziger Rechtsanwalts Dirk Feiertag hatte dagegen geklagt, dass Jobcenter nur über Callcenter erreichbar sind, und Recht bekommen. „Jeder hat gegenüber Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang von amtlichen Informationen“, zitiert die „Junge Welt“ aus der Begründung der Richter. Deshalb sei es notwendig, dass die Mitarbeiter des Jobcenters für die Bürger erreichbar seien. „Dienstnummern unterliegen nicht dem persönlichen Datenschutz.“ Das Leipziger Jobcenter wollte diese Entscheidung jedoch nicht hinnehmen und legte Berufung ein, so dass das Urteil nicht rechtskräftig wurde. Eine Entscheidung im Berufungsverfahren vor dem sächsischen Oberverwaltungsgericht wird nicht vor Mitte des Jahres erwartet, wie ein Sprecher der Zeitung mitteilte.

Jobcenter reagierten mit Anfeindungen und Drohungen auf Veröffentlichung der Dienstnummern
Arbeits- und Sozialrechtler Harald Thomé wollte Hartz IV-Beziehern auf seine Weise zu ihrem Recht verhelfen. Er veröffentlichte etwa 150 ihm bekannte Jobcenter-Telefonnummern im Laufe des vergangen Jahres auf seiner Internetseite. Thomé erhielt für seine Arbeit viel Zuspruch – auch von einigen Jobcenter-Mitarbeitern und -Geschäftsführern, die ihn zum Teil sogar in Telefonlistenverteiler aufnahmen. Andere Jobcenter zeigten sich jedoch alles andere als kooperativ. „So gab es eine Reihe von Anfeindungen, Beleidigungen, Drohanrufen, aber auch unmittelbare Gewaltandrohungen, dass man mir beispielsweise ‘persönlich mit einigen Kumpels’ auch erläutert könne, dass ich die Listen aus dem Netz zu nehmen habe. Ebenfalls wurden mir angedroht, Strafantrag gegen mich zu stellen, möglichst kostenintensive Unterlassungsverfügungen zu initiieren und mich persönlich für etwaige Folgen von Übergriffen auf Jobcenter-Mitarbeiter verantwortlich zu machen“, berichtet Thomé in einer Stellungnahme auf seiner Internetseite.

Aktuell sei vor allem ein Streit mit dem Jobcenter Berlin-Spandau aus den Fugen geraten. Die Behörde drohe dem Arbeits- und Sozialrechtler mit 500 Einzelanträgen von Mitarbeitern auf Unterlassung. Verliere er die Verfahren, würden Kosten in Höhe von etwa 400.000 Euro auf ihn zukommen. Aufgrund dieser massiven Existenzbedrohung entschied sich Thomé dafür, die Liste von seiner Internetseite zu nehmen. In der Stellungnahme bezeichnet er das Projekt „Veröffentlichung von Jobcenter-Telefonlisten zur Durchsetzung einer größeren behördlichen Transparenz und Abbau von Zugangshürden“ als gescheitert. Thomés Fazit: „Unmittelbare Bedrohung, Beleidigung, Diffamierung bis hin zur Existenzbedrohung zeugen nicht gerade von zivilisierten Umgangsformen, dem Bestreben der Behörde, Zugangshürden abzubauen, oder gar rechtsstaatlicher Sensibilität.“ (ag)

Bild: Rödi / pixelio.de

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