Hartz IV: Zum Thema Einstehgemeinschaft

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Hartz IV Ratgeber: Verantwortungs- und Einstehgemeinschaft nach § 7 Abs. 3a SGB II

Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II gehört: "eine Person, die mit einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen," mit zu dessen Bedarfsgemeinschaft.

Welche Voraussetzungen dafür vorliegen müssen, damit der Leistungsträger eine sog. Verantwortungs- und Einstehgemeinschaft vermuten darf, hat der Gesetzgeber in § 7 Abs. 3a SGB II festgelegt:

Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1. länger als ein Jahr zusammenleben,
2. mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3. Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4. befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

Bei diesen Festlegungen, von denen bereits eine genügt, damit eine Verantwortungs- und Einstehgemeinschaft entsteht, handelt es sich auch nicht um eine Kann-Bestimmung oder Ermessensfrage des jeweiligen Leistungsträgers oder Sachbearbeiters.
Das wird sowohl durch die eindeutige Formulierung des § 7 Abs. 3a SGB II als auch durch die fehlende Ermächtigungsgrundlage in § 13 SGB II deutlich.
Jedoch ignorieren viele Leistungsträger die in § 7 Abs. 3a SGB II vom Gesetzgeber festgelegen eindeutigen Kriterien, die besagen, wann ein Leistungsträger von einer solchen Verantwortungs- und Einstehgemeinschaft ausgehen darf.

Mit der Festlegung dieser Kriterien wollte der Gesetzgeber es Nicht-ALG II Beziehern ermöglichen, dass diese auch eine Partnerschaft mit ALG II-Beziehern ohne rechtliche Unterhaltsverpflichtungen eingehen können, also ohne sich gleich fest binden zu müssen.

Hintergrund ist u.a. die sog. Prüfungszeit, in der Partner beim Zusammenleben prüfen, ob und wieweit sie zusammen passen und ob sie gewillt sind, den jeweils anderen im alltäglichen Leben zu unterstützen. Dies geht ohne eine solche Prüfungszeit nicht.
Wenn mögliche Partner von ALG II Beziehern dazu verpflichtet wären bzw. würden, sofort für ihren Partner finanziell zu sorgen, würde das eine Partnerschaft zwischen Nicht-ALG II Beziehern und ALG II Beziehern vollkommen unmöglich machen und beide in unzulässiger und verfassungswidriger Weise diskriminieren.
Um genau das zu verhindern, hat der Gesetzgeber die klaren Voraussetzungen in § 7 Abs. 3a Nr. 1 bis 4 SGB II geschaffen. Aus Gründen des Gleichberechtigungsgrundsatzes gilt das natürlich auch für zwei Personen die beide ALG II beziehen.

So lange keine der dort genannten Voraussetzungen für das Vorliegen einer Verantwortungs- und Einstehgemeinschaft zutreffen, bilden die betroffenen Personen lediglich eine Haushaltgemeinschaft, es besteht keinerlei rechtliche Grundlage, die es dem Leistungsträger ermöglicht, von einem ALG II Bezieher die Vorlage von Nachweisen über Einkommen und Vermögen dessen Partners zu fordern, darf Einkommen eben nicht nach der Bedarfsanteilsmethode auf andere verteilt werden und besteht ein Anspruch auf 100% des Regelsatzes.

Viele Leistungsträger machen nun Hausbesuche, um das angebliche Vorliegen einer Verantwortungs- und Einstehgemeinschaft nachzuweisen. Was sie vorfinden, sind Paare, die selbstverständlich wie eine Bedarfsgemeinschaft zusammenleben, jedoch ohne dabei die rechtlichen Voraussetzungen einer solchen zu erfüllen.
Hausbesuche sind also ein vollkommen unzulängliches Mittel, um das Vorliegen einer Verantwortungs- und Einstehgemeinschaft nachzuweisen. Eben deshalb gibt es ja die klaren Voraussetzungen in § 7 Abs. 3a SGB II und hat die Bundesagentur für Arbeit die Anlage VE (Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft) als Prüfungsgrundlage entwickelt.

Das Partner während dieser vom Gesetzgeber eingeräumten Kennenlernfrist so zusammenleben, wie es gesunden, einander zugetanen Personen eigen ist, scheint vielen Leistungsträgern – und auch dessen Außendienst – vollkommen fremd zu sein. Wie sonst ist zu erklären, dass Leistungsträger allein Aufgrund der Nähe des Zusammenlebens der so kontrollierten Personen auf eine Verantwortungs- und Einstehgemeinschaft schließen.
Diese Nähe des Zusammenlebens begründet jedoch keine der in § 7 Abs. 3a SGB II festgelegten Voraussetzungen des Bestehens einer Verantwortungs- und Einstehgemeinschaft, wie Leistungsträger gern behauptet, sondern ist vielmehr vollkommen üblich und eben Ausdruck eines Kennenlernens und gegenseitigen Prüfens.

Leistungsträger versuchen zudem oft, solche Personen "über die Ohren zu balbieren", indem sie ihrer Pflicht zur Begründung einer Datenerhebung nach § 67a Abs. 3 SGB X und der damit verbundenen Aufklärungspflicht nach § 13 SGB I vorsätzlich nicht nachgekommen und unbegründet, oder sogar unter falschen Begründungen oder Drohungen wie: "Ohne diese Unterlagen erhalten sie kein Geld/wird ihr Antrag nicht bearbeitet!", vom ALG II Bezieher Unterlagen über Einkommen und Vermögen dessen Partners, oder auch direkt von diesem, verlangen.

Das der Leistungsträger dies nur macht, um eine Verantwortungs- und Einstehgemeinschaft zu unterstellen und Einkommen und Vermögen des Partners auf den Bedarf des ALG II Beziehers anzurechnen, auch wenn die in § 7 Abs. 3a SGB II genannten Voraussetzungen tatsächlich nicht zutreffen, wird von Betroffenen oft nicht vermutet oder erkannt. Gerade deshalb, weil der Leistungsträger hierbei rechtswidrig und in betrügerischer Absicht handelt.

Wenn Betroffene dann endlich die Informationen erhalten haben, die ihnen der Sachbearbeiter rechtswidrig vorenthalten hat, und dann dieser Unterstellung widersprechen, behaupten einige Sachbearbeiter dann sogar: "Aber sie haben uns doch ihre Unterlagen freiwillig gegeben. Damit beweisen sie ja, dass sie eine BG sind!" und versuchen so, sich von ihrer Schuld rein zu waschen. Eine ungeheure Frechheit! Gegen die ungerechtfertigte Unterstellung einer Verantwortungs- und Einstehgemeinschaft sollte man energisch vorgehen und eventuell auch keine Klage scheuen. (17.07.2008)

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