Hartz IV: Stromschulden für Nichts

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Stadtwerke München fordern hohe Vorauszahlung für nichtvorhandene Nachtspeicherheizung von Hartz-IV-Empfänger

MÜNCHEN – tp – Wie das in München erscheinende Sozial-MAGAZIN in seiner neuesten Ausgabe berichtet, verlangen die Stadtwerke München eine Vorauszahlung von monatlich 63 Euro für Stromkosten für eine Nachtspeicherheizung die gar nicht vorhanden ist von einem Hartz-IV-Bezieher im Münchner Ortsteil Laim – und drohen mit Stromsperre und Inkasso

Der 64-jährige Hartz-IV-Empfänger Wolfgang G. war schlecht überrascht, als ihm nach Ende der Heizperiode 2008/2009 einige wirre, auch fehladressierte Schreiben München auf den Tisch flatterten. Bis zum Frühjahr 2009 hatte er für seine renovierungsbedürftige Sozialwohnung zwar die festgesetzten Stromkosten-Vorauszahlungen von monatlich 30 Euro regelmäßig vom gekürzten Hartz-IV-Regelsatz abgeführt, jetzt aber konfrontierte ihn sein Stromlieferant mit einer nachträglichen hohen Nachforderung von rund 460 Euro für eine veraltete Nachtspeicherheizung aus der vergangenen Heizperiode. Ein überraschend hoher Betrag, der von Wolfgang G. natürlich aus seinen Hartz-IV-Bezügen nicht zu leisten war.

Gleichzeitig wurden ihm dazu die zukünftigen monatlichen Vorauszahlungen ohne jede Rücksprache auf unverhältnismäßige 103 Euro hochgeschraubt. Natürlich kann vom Hartz-IV-Regelsatz von bisher 351 Euro auch ein solche Zahlung nicht geleistet werden, zumal der 64-jährige Wolfgang G. davon Darlehnsrückzahlungen an seinen Sozialdienst und an privat zurückzahlen muß, und nur über einen effektiven Betrag von rund 200 Euro lebt. Eine außergewöhnlich schwierige Situation, auch für einen leidensfähigen Hartz-IV-Empfänger, der sich zudem in Privat-Insolvenz befindet.

Umgehend hat sich der 64-jährige Hartz-IV-Bezieher Wolfgang G. deshalb schriftlich an seine Stadtwerke gewandt, um Nachprüfung gebeten, eine Ratenzahlung für die Stromschulden angeboten und darauf hingewiesen, daß die teure und veraltete Nachtspeicherheizung derzeit vom Vermieter, der Münchner Wohnungsgesellschaft GEWOFAG entfernt – und durch eine moderne Zentralheizungsanlage mit Fernversorgung ersetzt wird. Inzwischen ist dies im Rahmen allgemeiner Sanierungsmaßnahmen geschehen.

Trotz mündlicher Absprache mit Mitarbeitern des Versorgungsunternehmens verzichteten die Stadtwerke nicht auf eine hohe Vorauszahlung von monatlich 63 Euro, mit Hinweis auf den vorausgegangenen Verbrauch. Obwohl im Haushalt des Stromkunden weder ein Kühlschrank, noch ein Fernsehapparat, noch ein Radiogerät oder Computer vorhanden sind und der reine Stromverbrauch deswegen unterdurchschnittlich gering ist: Nach Ablesungen der Stadtwerke übersteigt der monatliche Stromverbrauch 20 Euro nicht. Trotzdem waren die Stadtwerke München nicht von ihrer ungerechtfertigten Forderung abzubringen. Die Stadtwerke München drohen aktuell im Juli mit baldiger Stromsperre wegen der ausstehenden Forderung.

Auch ein eingeschalteter Sozialdienst, an den sich Wolfgang G. in seiner Not und Zahlungsunfähigkeit wandte, konnte keine angemessene Ratenzahlung erreichen. Der AFWM, Ambulanter Fachdienst München, eine Abteilung des Katholischen Männerfürsorgevereins KMFV, konnte bei aller Anstrengung lediglich einen halbwegs kompetenten Mitarbeiter für den Problemfall bei den Stadtwerken vermitteln. Die angebotenen Monatszahlung von 50 Euro für Schuldentilgung und als Kostenvorauszahlung und eine vorsorgliche, gutwillige Überweisung wurden als "zu gering" abgelehnt. Die Drohung mit der Stromsperre aufrechterhalten.

Die Münchner Stadtwerke konfrontieren Ihre Stromkunden üblicherweise bei Nachfragen und ähnlichen Problemen mit ständig wechselnden Ansprechpartner in einem Call-Center, die keinerlei Befugnisse haben und komplexe Situationen ihrer Stromkunden mangels Zuständigkeit und Kompetenz nicht lösen können. So auch in diesem Fall: Der angeblich kompetente Gesprächspartner war nur für die aufgelaufenen Stromschulden zuständig, wegen der absurden Vorauszahlung für eine nicht vorhandene Nachtspeicherheizung wurde auf andere Mitarbeiter der Stadtwerke und das Service-Center dort verwiesen. Dieses aber, .. siehe oben, leidet unter Kompetenzmangel.

Obwohl Landgerichte in anderen Bundesländern schon mehrfach anders geurteilt haben, wurde auch eine Anfrage an die zuständige ARGE in München zur Übernahme dieser Stromschulden oder eine Darlehnsgewährung gegenüber dem Münchner Sozialdienst AFWM telefonisch negativ beschieden.

Jetzt sieht sich Wolfgang G. deswegen mit eine kostenpflichtigen Stromsperre konfrontiert, die seine ohnehin renovierungsbedürftige Sozialwohnung gänzlich unbewohnbar machen wird und ihn in die frühere Obdachlosigkeit zurückdrängt.

Der Artikel entstammt aus dem Münchener Sozi@l-MAGAZIN. Das Sozi@l-MAGAZIN bietet Informationen aus dem sozialen Bereich
und rund um die Lebenswelt von sozial benachteiligten Bevölkerungsschichten, wie Wohnungsund Arbeitssuchenden, Ein-Euro-Jobbern, Niedriglohnbeziehern, Hartz-IV- und Sozialgeldempfängern. Gerade in der Zeit einer Wirtschafts- und
Gesellschaftskrise soll diesem Leserkreis mit dem Sozi@l-MAGAZIN handfeste und praktische Lebenshilfe, aber auch Ablenkung, Unterhaltung und Zerstreuung geboten werden. Meinung und Kritik aber auch. Und Tipps und Tricks zur Bewältigung Ihrer persönlichen, schwierigen Lage. Die aktuelle Ausgabe kann per Email kostenlos und werbefrei bestellt werden bei sozialmagazin@aol.com (aus: Sozial-MAGAZIN, 13.07.2009)

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