Hartz IV: Sozialticker Jahresrückblick 2006

Der Sozialticker Jahresrückblick 2006

Wie bei jedem Jahreswechsel, will ein jeder, ob satirisch oder hemmungslos einschlafend, das alte Jahr Revue passieren lassen, um gleichzeitig Impulse für das kommende Jahr zu setzen. Das soll so “trendy” sein, dass auch wir uns diesem Ritual nicht entziehen wollen. Nun sei uns also verziehen, wenn nachfolgend nicht immer Lobpreisungen verkündet werden, denn die kann der Sozialticker nun wahrlich nicht für das Jahr 2006 und den mitwirkenden Darstellern und Statisten – im sozialpolitischen Umfeld vergeben.

2006, was für ein Jahr!

Alles geschah zum Wohle der Bürger. Wie ? – glauben sie nicht … wir auch nicht, aber die Erwerbslosen wurden endlich mal von den Initiativen und Gewerkschaften aus ihrer Lethargie geweckt, … achnee das war ja die WM und die Politik hat unbemerkt nebenbei Gesetze in Kraft gesetzt, von denen niemand betroffen zu sein schien – oder besser gesagt, wo anscheinend niemand etwas auszusetzen hatte. Gemurrt wurde viel – geschluckt wurde schlussendlich alles.

Wir erinnern uns, die Rente mit 67? In Belgien diskutiert, stürmten zehntausende Belgier auf die Straße, um den Anfängen dieser sinnlosen Überlegung schon direkt den Unmut der Bevölkerung spüren zu lassen, in Deutschland allerdings blieb so etwas wie öffentlicher Widerstand aus. Oder – wie war es mit dem Kündigungsschutz. Hierzulande kein Problem, während in Frankreich Studenten und Gewerkschaften den Staat in die Knie zwang.

Aber auch die ständigen Hartz IV Korrekturen, sei es bei den unter 25-Jährigen – oder den Verschärfungen zum 1. August und nochmals zum 1. Januar 2007, wurden mehr als stillschweigend zur Kenntnis genommen. Es macht sich schon der demographische Wandel bemerkbar, denn bei der Jugendarbeitslosigkeit und Lehrstellenmangel, verwundert es schon, dass keiner der U25 Betroffenen sich zu Wort meldete.

Von der Wildsau am Spieß – zum G8 Gipfel

Aber da war doch noch etwas? Ach ja, die unzähligen … schon spamartigen Mitteilungen, die ständig zum zivilen Ungehorsam aufriefen, jedoch kein “Heißes Herbstjahr 2006″ bescherten, sondern eher als ” lauwarmer Pups im Wasserglas” betitelt werden dürfte. So verhallten in den Tiefen der deutschen Ebene auch die unzählige Ein-Euro-Jobber und Erntehelfer, die darauf warteten, dass sich etwas bewegt. Dagegen waren die Mitteilungen vom Bundesverfassungsgericht regelmäßig inhaltsreicher, denn diese beglückwünschten im vergangenen Jahr viele Ü75 – zu dessen Feier jedoch nicht eingeladen wurde.

Die Vertreter der Erwerbslosen und Arbeiter

Ist es also wirklich wahr, dass diejenigen – die sich als Vertreter der Erwerbslosen und Arbeiter betiteln, nur Statisten im Geschehen zu sehen sind bzw. waren und die Regierung als Darsteller den “Oscar” für schnelles Handeln mit richtungweisenden Charakter verdient hat?

Was haben denn Gewerkschaften und Erwerbsloseninitiativen 2006 erreicht? Gab es richtungweisende Demonstrationen, die medienwirksam genug waren, wie die, welche zu Beginn der Einführung von Hartz IV, den so genannten Montagsdemos, geführt wurden – oder waren es nur “gemütliche Nachmittage” zum kontrollierten Dampf ablassen? Wurden Gesetze oder Überlegungen verhindert, abgemildert oder hinausgezögert? Was können sich diese Gruppen auf die Fahnen schreiben, denn immerhin sollte man an dem gemessen werden, was man erreicht hat und nicht was man erreichen wollte.

Als Lokale- oder Internetplattformen sind Erwerbsloseninitiativen wertvoller denn je geworden. Mit Tipps und Informationen helfen Sie Menschen mit Problemen, die sich im täglichen Kampf mit den Ämtern ergeben.

Was ist allerdings mit der Außenwirkung über den eigenen “Dunstkreis” hinaus? Hier scheint das große Problem zu sein. Initiativen sind aktiver als deren eigene Verbände, Koordinierungsstellen sind desinformiert und jeder kocht sein eigenes Süppchen. Einzelne Versuche sich zu gruppieren, scheitern daran, dass Konkurrenzdenken und Neid die zarten Wurzeln vergiften. Bestehende Netzwerke werden nicht genutzt, weil es nicht gelingt, den sozialen Gedanken zu übertragen. Es darf nicht vergessen werden, dass der größte Teil der Bevölkerung, die Sozialleistungen beziehen, nicht über das Internet und deren Aktionen erreicht werden. Hier muss dringend nachgebessert werden, will man Erfolge erzielen, wie, dass mehr Menschen an Demonstrationen teilnehmen, als dies im Jahr 2006 der Fall war ( durchschnittlich nahmen nur 0,05 % der Betroffenen bundesweit an Demos teil – das dürfte definitiv im Verhältnis zur Anzahl der Initiativen zu wenig sein).

Dennoch muss auch hier das Fazit lauten: Für Hilfesuchende sind Erwerbslosen- und Sozialinitiativen wichtiger geworden denn je – jedoch muss die bundesweite Vernetzung vorangetrieben werden.

Was hingegen hat die Regierung erreicht?

– Sanktionen und Neuregelung U25
– Fortentwicklungsgesetz wirksam August 2006
– Verschärfung ALG II wirksam zum 1. Jan. 2007
– Mehrwertsteuererhöhung – gleich 3 Prozentpunkte
– Wegfall Pendlerpauschale und Erhöhung der Nahverkehrspreise
– Kraftstoffpreiserhöhung incl. Panscherei
– Elterngeld für reiche Familien
– Renteneinstiegsalter mit 67
– …… usw – usf.

Lange wurde gekämpft und gestritten, um den jetzigen Aufschwung – wo immer dieser auch sein mag – in Gang zu bekommen. Viele Unstimmigkeiten zwischen den Parteien der großen Koalition galt es zu bewältigen. Die Kanzlerin hat dank ihrer Durchsetzungskraft und Führungsqualität einen gewissen Grad an Ordnung in diesem Land erreicht. Die Ein-Euro-Jobs haben endlich einen festen Platz in unserer Wirtschaft bekommen und werden durch die Kommunen, Argen und Arbeitsvermittlungen schamlos missbraucht. Gegenstimmen – sind leider fehl am Platz und auch nicht zu finden! Die Löhne und Zuschläge in vielen Firmen konnten dank der Statistiken weiter gesenkt werden. Auch der Versuch sich als “Robin Hartz” zu outen, ging voll in die Strickhosen. Sicherlich ist es gerechter anzusehen, das langjährige Einzahler – auch länger Arbeitslosengeld bekommen. Aber muss man denn den jüngeren Hilfesuchenden gleich zum Beginn die Existenz wegnehmen dafür? Kann man da nicht lieber ein oder zwei “Tierübe rführungsbrücken” weniger bauen und den Verkauf von Waffen drosseln? So fleißig wie dies Jahr waren wir selten, denn selbst die rentable Wirtschaft vieler Billiglohnländer, konnten mit den deutschen Ein Euro-Jobs in Frage gestellt werden, denn im Gegensatz zu Deutschland, zahlen Entwicklungsländer bereits Spitzenlöhne von 1,25 Euro/ Std. – in Deutschland sind es leider nur 50 Cent/ je Stunde – incl. Sanktionsbescheid.

Millionen für Manager – abgekaute Fingernägel für die Belegschaft

Ausschlaggebend für ein Gelingen dieses Aufschwungs, ist auch die dreiprozentige Erhöhung der Mehrwertsteuer gewesen, welche sich bereits schon vor ihrer Inkraftsetzung positiv bemerkbar macht. Denn wozu lange warten, wenn das Geld liegt so nah? So geschehen nicht nur im raffgierigen Einzelhandel. Auch die Pharmariesen begannen die Geldquelle “Steuersack” für sich zu entdecken und schraubten parallel zum Kopfschmerz die Pillenpreise in die Höhe. Jeder normal denkende Mensch würde auf solch einen Steuerunsinn verzichten und sich die wahren Ausgaben anschauen, welche am meisten zu Buche schlagen. Nur leider will und kann man nicht am eigenen Ast sägen, ohne die Balance zu verlieren … oder die Wahlen. Was mag da leichter sein – Lügen oder Lügen?

Da platzt einem glatt der Gummi

Besonders hervorheben sollte man den Umstand, eines sehr kontrollierten Stellenabbaus gegenüber scheinbarer Arbeitsplatzerschaffung. Diese Statistiken richtig zu führen und zweckentsprechend zu erläutern, setzte hohe wirtschaftliche und ideologische Fähigkeiten politischer Berater voraus! Doch es wären ganz bestimmt keine Politiker, wenn sie dies nicht glaubhaft propagieren könnten. Bei dem rasanten Abbau der Arbeitslosenzahlen, müsste bereits 2009 jeder eine Arbeit gefunden haben und im Luxus des Konsums baden können, denn “frisch gewaschen und frisiert” bekommt man ja nun schnell einen Job.

Achja … die lieben Statistiken – es müssen aber wirklich nur Statistiken sein, denn ob nun 2,5 Millionen Fähnchen in Deutschland für jedes “Kind in Armut” steht und weht – oder nicht, scheint in diesem Lande völlig egal geworden zu sein. Wichtig war aber, dass man mal drüber gesprochen hatte und mit viel Geld winkte … als wenn mit Geld alles machbar wäre, welches nie ankam. Dieses Geld hätte man lieber in die Produktion von “Kondomgummis” stecken sollen, um das Leid der Kinder schon vor Zeugung zu minimieren, statt mit Elterngeld zu winken und neues Leid in einer Zweiklassenunterschicht zu schaffen. Nebenbei wären da auch noch Arbeitsplätze angefallen. Die intensive Ausarbeitung von “glaubhaft gemachten Statistiken” ermöglichte es aber auch, die Bezüge von Bundesbeamten und steuerlich begünstigten Personen zu steigern und den (ungefühlten) Teuerungsraten regelmäßig anzupassen, damit auf dem “Bundespresseball” mit neuem Look aufgefahren werden kann.

Weihnachtsgeld nur für handverlesene Menschengruppen?

Sozialleistungen und Ausbildungshilfen wurden auf ein absolutes Minimum reduziert und weisen, wenn es nach dem Willen so mancher Parteifunktionäre gehen würde, weitere Optimierungsmöglichkeiten auf! Entsprechende Geistesblitze kommen im Verhältnis – “Parteibuch … zur … Diätenhöhe” reichlich beim täglichen Rundfunk über die Schockwellen der Lautsprechermembran in das schmerzende Ohr, zu dem es leider keine Kassenleistungen mehr gibt. Die pflichtbewussten Bürger unseres Landes haben schwere Einschnitte über sich ergehen lassen müssen und sind voller Optimismus, weitere Kürzungen, durch die Herabsetzung ihres luxuriösen Lebensstiles, zu bewältigen. Solidarisch belehren die Tafeln und andere Organisationen die noch verunsicherten Bürger und “The Big Boss” mahnte nochmals einen Reformstillstand ab.

Der Wahnsinn nimmt seinen Lauf

In einem sozialen Deutschland wird “Niemand” verhungern, so die Aussage unserer Kanzlerin – solange sich keiner im Hungerstreik befindet. Natürlich haben auch die langen Bemühungen in der Gesundheitsreform bereits heute schon erste Erfolge zu verzeichnen. Denn laut dem statistischen Amt, werden alle Bürger bei geringeren Kosten umfassender betreut und auch medizinisch versorgt. Leider nur in der Statistik, denn weite Regionen sind bereits schon von der Versorgung abgeschnitten worden. Nur gesund fühlt sich keiner und im Rahmen seiner Geldbörse, was sich bei Millionen Menschen in diesem Lande als Epidemie der Geldnot bemerkbar macht – und als “staatlich verordnetes Zäpfchen” sehr schwer verträglich das Gesundheitssystem zum kollabieren bringt.

Ohne Dampf keine Leistung!

Die Bemühungen um ein generelles Rauchverbot wurde glücklicher Weise vor einer Beschlussfassung beendet, da sonst ein schwerwiegenden Fehler in der Zuständigkeit begangen würde und nach den Kosten für den Lapsus wird mit Sicherheit eh keiner fragen, denn schließlich möchte man ja in der EU mit einem mustergültigen Haushalt glänzen, welcher den Ratsvorsitz als “angemessen” zu erachten scheint. Somit sind viele Menschen froh, dass dieses Jahr 2006 zu den Akten geheftet werden kann … mit oder ohne Weihnachtsbeihilfen.

Eine Frage konnte in diesem Jahr nicht mehr geklärt werden: Wo mag die Vogelgrippe nur abgeblieben sein?

In diesem Sinne – wünscht der Sozialticker allen Lesern ein gesundes neues Jahr 2007

1.01.2007

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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