Musterwiderspruch Selbständige Juli 2010
Ich lege gegen o.g. Bescheid Widerspruch ein, soweit er rechtswidrig ist, und beantrage die Zahlung, auch rückwirkend, der rechtswidrig nicht bewilligten Leistungen.
Begründung:
1. Der Bescheid ist insgesamt rechtswidrig. Die im System A2LL erstellten Bescheide sind regelmäßig nicht nachvollziehbar und genügen nicht den Anforderungen des § 35 SGB X. Die seitens Ihrer Geschäftsführung angekündigte Nutzung der Freitext-Möglichkeit wird nur unzureichend genutzt. Im Bescheid v. xxx-2010 wird Ihre Abweichung von meiner EKS/Vorausschau nicht abschließend aufgelistet, begründet wird sie überhaupt nicht. Damit bin ich in meinem grundgesetzlich garantierten Recht auf ein rechtsstaatliches Verfahren beeinträchtigt. Es ist mir dadurch auch nicht möglich, allen von Ihnen vorgenommenen Kürzungen im Einzelnen durch Tatsachenvorbringung zu widersprechen, da sie mir nicht bekannt sind.
Der Bescheid weist nicht den Grundfreibetrag nach § 11 Abs. 2 S. 8 aus, aber die Pauschale für „kleine Versicherungen“ gemäß § 6 Abs. 1 Z. 1 Alg II-V. Der Bescheid weist auch keinen Freibetrag gemäß § 30 aus, sondern lediglich irgendeinen irgendwie ermittelten Freibetrag. Beides entspricht nicht den gesetzlichen Vorschriften.
2. Reine Mutmaßungen führen zu einer Kürzung existentiell notwendiger Mittel. Das widerspricht der Entscheidung des BVerfG vom 12 Mai 2005 (1 BvR 569/05), wonach „existenzsichernde Leistungen nicht auf Grund bloßer Mutmaßungen verweigert werden“ dürfen. Es widerspricht auch der Entscheidung des BVerfG vom 9 Februar 2010 (1 BvL 1/09), wonach das „menschenwürdige Existenzminimum aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG“ gewährleistet sein muss.
3. Gemäß § 17 SGB I Abs. 1 S. 1 Z. 2 müssen die „erforderlichen … Dienste und Einrichtungen“ zur Verfügung stehen. Nur dann ist die in § 9 SGB X geforderte Zweckmäßigkeit des Verfahrens gewährleistet. Die Personalausstattung der Hartz IV-Behörden und die Qualifizierung der Mitarbeitenden ist unzureichend. Insbesondere ist ihre Vorgehensweise ist nicht geeignet, dem Zweck der Ermittlung des Einkommens Selbständiger im Rechtskreis SGB II sachgerecht zu genügen. So stellt auch die >> Länder-Arbeitsgruppe „Maßnahmen zur Verminderung der Belastung und zur Effizienzsteigerung der Sozialgerichte“ – Empfehlungen << am 19 Oktober 2009 fest:
„Das führt dazu, dass sich die Leistungsträger für das SGB II und die Sozialgerichte als Betriebswirte und Buchhalter betätigen müssen, ohne im Einzelnen über fundierte Kenntnisse zu verfügen.“
4. Der Bescheid entspricht im Freitext der 1. Seite wortwörtlich den Formulierungen früherer Bescheide. Zwischenzeitliche Erläuterungen zu den dort Ihrerseits vorgetragenen Einschätzungen werden nicht berücksichtigt. Damit bin ich in meinem Recht auf eine aktuelle und individuelle Ermittlung meiner Bedürftigkeit beeinträchtigt. Es entsteht der Eindruck, dass Ihrerseits systematisch und vorsätzlich von rechtsstaatlichem Vorgehen abgewichen wird.
Im Einzelnen:
1. Im Freitext auf S.1. werden – offensichtlich abschließend – die vorgenommenen Abweichungen von meiner Vorausschau aufgelistet. Daraus ist aber unmöglich das Ihrerseits ermittelte Einkommen zu berechnen. Gemäß § 35 SGB X ist eine Begründung Ihrer Entscheidungen erforderlich. Eine Begründung fehlt hier.
2. Über die Ermittlung des für eine vorläufige Entscheidung anzurechnenden Einkommen aus selbständiger Tätigkeit enthält die ALG II-V keinerlei Angaben. Wegen der Vergleichbarkeit der Sachlage und des Verbotes der Ungleichbehandlung ist es angebracht, die Vorschriften der VO zur Durchführung des § 82 SGB XII anzuwenden. § 4 Abs. 3 schreibt für die Schätzung eines zu erwartenden Einkommens vor: „Als Einkünfte ist bei den einzelnen Einkunftsarten ein Betrag anzusetzen, der auf der Grundlage früherer Betriebsergebnisse aus der Gegenüberstellung der im Rahmen des Betriebes im Berechnungsjahr bereits erzielten Einnahmen und geleisteten notwendigen Ausgaben sowie der im Rahmen des Betriebes im Berechnungsjahr noch zu erwartenden Einnahmen und notwendigen Ausgaben zu errechnen ist. Bei der Ermittlung früherer Betriebsergebnisse (Satz 1) kann ein durch das Finanzamt festgestellter Gewinn berücksichtigt werden.“
In einer Vorausschau können verständlicherweise bestenfalls teilweise die erwarteten Ausgaben belegt werden. Die Angaben in der EKS können daher nur auf Plausibilität und Notwendigkeit in der Sache und in der Höhe überprüft werden. Dazu sind die Angaben über die Vergangenheit heranzuziehen – die EÜR für 2009 liegt Ihnen vor,ebenso der ESt.-Bescheid, auch die abschließenden EKS’ der zurückliegenden BWZ. Des weiteren der Widerspruch zu Ihrem Bescheid vom xxx.2010.
3. Bei der Position „Versicherungen, Beiträge“ sind etwa 50 Euro nicht anerkannt worden, die Position „Fortbildung“ wird insgesamt nicht anerkannt. Die Nichtanerkennung in der Position „Versicherungen, Beiträge“ wurde nicht erläutert, Fortbildungen würden generell nur anerkannt, wenn sie zuvor genehmigt worden seien. Es beruhe auf einer internen Anweisung (mündliche Auskunft).
Eine pauschale Nicht-Anerkennung bestimmter Positionen ist nicht zulässig, es muss im Einzelfall die Notwendigkeit begründet bestritten werden. Es ist keine Rechtsgrundlage bekannt, wonach zu erwartende Ausgaben zuvor durch Ihre Behörde zu genehmigen wären.
4. Mitgliedschaften in Berufs- und Fachverbänden sind allgemein üblich und notwendig. Weitere Begründungen, auch aus steuerrechtlichen Auseinandersetzungen, liefere ich gerne.
5. Für eine generelle Genehmigungspflicht von Fortbildungen sehe ich keine Rechtsgrundlage. Sie können die Notwendigkeit bezweifeln. Sie hätten damit Unrecht. In meinem Beruf als XXX besteht – begründet durch höchstrichterliche Urteile – eine Fortbildungspflicht. Verschärft bei den von mir ausgeübten risikobehafteten Tätigkeiten. Da ich in der Vergangenheit selbst als Ausbilder und Fachautor tätig gewesen bin, ist es mir möglich, einen Teil der Fortbildung durch Literatur-/Zeitschriftenstudium nachzuweisen und so insgesamt den Aufwand wie angegeben gering zu halten. Es geht aber auch nicht ohne den Nachweis praktischer Fortbildung. Insgesamt befindet sich mein Fortbildungsaufwand im sehr niedrigen Bereich.
6. Nichtanerkennung der tatsächlichen Telefonkosten: zwar verfüge ich tatsächlich über eine Flatrate. Kostenpflichtige Anrufe (01080…) und Anrufe in Mobilfunknetze sind damit aber nicht abgedeckt. V.a. letztere fallen in gewissem Maße an, da eine Anrufweiterleitung auf mein Handy eingerichtet ist.
7. Zinsen sind zu berücksichtigen, soweit sie betrieblich veranlasst sind. Auch das habe ich Ihnen gegenüber bereits mehrfach dargelegt. Für eine solide Liquiditätsplanung ist es unerlässlich, dass liquide Mittel in Höhe von etwa drei durchschnittlichen Monatsbedarfen bereit stehen. Das ist einerseits nötig, weil idR (und so auch bei mir) Leistungserbringung, Kostenaufwand und Ertrag zeitlich erheblich auseinander klaffen. Zudem sind konjunkturelle und jahreszeitliche Schwankungen zu überbrücken. Diese Finanzierung geschieht lehrbuchmäßig durch Inanspruchnahme des Kontokorrents, wenn dafür kein eigenen Mittel zur Verfügung stehen. Allein Ihre zurückliegenden Unterzahlungen sind für einen nicht unerheblichen Teil der Kontoüberziehung verantwortlich. Des weiteren ist in 2001 ein Neueinbau des Fußbodens und von Spüle und Schränken über den Kontokorrent finanziert worden. Diese Maßnahmen wurden notwendig durch eine Änderung der hygienerechtlichen Vorschriften. Eine Rückführung des Kontokorrents war bisher leider nicht möglich.
8. Der Abzug für Warmwasser ist zu korrigieren. Einen Warmwasserverbrauch in der angegebenen Höhe habe ich tatsächlich nicht, ein pauschaler Abzug ist höchstens bis zu einer bestimmten Höhe möglich, die bei so geringen Heizkosten geringer ausfallen muss als der vom Bundessozialgericht (B 14/11b AS 15/07 R) ermittelte Höchstbetrag iHv 6,47 Euro und das auch nur dann, wenn das Warmwasser tatsächlich aus der Heizungsquelle gewonnen wird. Zudem müsste auch der sog. „Thermenstrom“ berücksichtigt werden – ein Nullsummenspiel.
Durch diese Kürzungen und ausstehende Gelder aus abschließenden EKS’ ist bei meiner äußerst knappen Finanzlage möglicherweise die Liquidität gefährdete. Eine Behinderung der notwendigen Fortbildungen und Mitgliedschaften in Berufs- und Fachverbänden gefährdet die Ausübung eines xxx Berufes insgesamt. Wirtschaftlich ungünstige Folgen könnten möglicherweise Ihnen angelastet werden.
Es ist mir nicht zuzumuten, eine Klärung der abschliessenden EKS zu überlassen. Zwar ist nach gegenwärtiger Rechtssprechung die „abschliessende EKS“ zügig zu bearbeiten. Auch das BVerwG hat bereits 1983 entsprechend entschieden (BVerwGE 67, 99). Ich warte aber bereits 16 Monate auf eine Änderung und Neufestsetzung eines vorläufigen Bescheides. Danach müssten mir Nachzahlungen zustehen in beträchtlicher Höhe. Auch im laufenden Betrieb fehlen mir flüssige Mittel, so dass ich bei Einkäufen auf überteuerte Kleinstmengen zurückgreifen muss. Ich muss daher um baldige Erledigung bitten. (Verwendung frei, Kopieren des Textes: Mit der Maus den Text kopieren, mit Str. + C in die Zwischenablage und dann mit Str. + V in eine Word Dokument einfügen.)