Hartz IV: Eingliederungsvereinbarung rechtswidrig

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Es ist rechtswidrig, einem Leistungsempfänger durch einen Eingliederungsverwaltungsakt Pflichten aufzuerlegen, die objektiv unmöglich zu erfüllen sind

Es ist rechtswidrig, einem Hartz IV Leistungsempfänger durch einen Eingliederungsverwaltungsakt Pflichten aufzuerlegen, die objektiv unmöglich zu erfüllen sind. Die auferlegten Bewerbungsbemühungen müssen zumutbar sein.So urteilte das Sozialgericht Speyer Az: S 21 AS 485/16 ER.

Die Kägerin, eine Hartz IV Leistungsberechtigte, klagte gegen die Formulierung betreffend der Gültigkeit der Eingliederungsvereinbarung. Darin stand „soweit zwischenzeitlich nichts anderes geregelt wird" Dies stelle eine unzulässige Nebenbestimmung dar. Soweit weiterhin davon ausgegangen werde, dass die Gültigkeit mit dem Abschluss einer neuen Eingliederungsvereinbarung ende, sei dies gleichermaßen unzulässig, da eine Eingliederungsvereinbarung als Verwaltungsakt nicht durch eine neue Eingliederungsvereinbarung ersetzt werden könne, so die Klageseite.

Auch sei eine Geltungsdauer von 7 Monaten angeordnet worden, ohne dass das in diesem Fall erforderliche Ermessen ausgeübt worden wäre. Die Auferlegung der Pflicht, sich auf Vermittlungsvorschläge zu bewerben, sei bereits gesetzlich geregelt und könne somit nicht zusätzlich sanktionsbewährter Gegenstand eines Eingliederungsverwaltungsaktes werden.

Bei der Unterbreitung von Vermittlungsvorschlägen handele es sich um eine gesetzliche Pflichtleistung, sodass der Passus, das Jobcenter werde Vermittlungsvorschläge unterbreiten, „soweit geeignete Stellenangebote vorliegen", unzulässig sei. Nämliches gelte für die Pflicht, sich auf durch den Maßnahmeträger angebotene Jobangebote oder Vermittlungsvorschläge zu bewerben. Insoweit fehle es an einer Rechtsgrundlage, die die Übertragung dieser Aufgabe vorsehe. Weiterhin entspreche der Eingliederungsverwaltungsakt „nicht im Geringsten dem Sinn und Zweck des§ 15 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 SGB II".

Auch seien die Regelungen zur Kostenerstattung betreffend Bewerbungsbemühungen und zur Erstattung von Fahrtkosten unter Bestimmheitsaspekten unzureichend. Es sei z. B. nicht erkennbar, ob auch mehr als die geforderten drei Bewerbungen monatlich finanziert würden. Nämliche Unklarheiten bestünden betreffend lnitiativbewerbungen. Auch müssten Bewerbungskosten nicht vorab beantragt werden.

Die für die Bewerbungen vorgesehene monatliche Betrachtungsweise sei ebenfalls unzulässig, da es dem Hilfebedürftigen somit nicht möglich sei, auf Schwankungen im Arbeitsmarkt zu reagieren. Es werde genötigt, sich auch auf unzutreffende Jobangebote zu bewerben, nur um die geforderte Quote zu erfüllen. Es sei weiterhin nicht erkennbar, ob auf die Anzahl der auferlegten Bewerbungsbemühungen ggf. erhaltene Vermittlungsvorschläge angerechnet werden.

Weiterhin sei die sanktionsbewährte Verpflichtung, die Weisungsbefugnis und Hausordnung bzw. Betriebsordnung des Maßnahmeträgers einzuhalten, rechtswidrig. Es fehle auch eine konkrete Kostenzusage. Weiterhin munierte die Klageseite, dass kein Eingliederungskonzept erkennbar sei. Ein sogenanntes Profing sei nicht durchgeführt worden. Überdies stelle es einen Widerspruch dar, die Antragstellerin zu verpflichten, monatliche Bewerbungsbemühungen vorzunehmen und zugleich durch das Angebot einer Arbeitsgelegenheit zu bescheinigen, dass „eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit nicht möglich" sei. Hinsichtlich der Arbeitsgelegenheit fehle die Bestimmung der genauen zeitlichen Verteilung bzw. werde diese „in die Hände des Maßnahmeträgers" gelegt. Der Pflicht zur Teilnahme an der Arbeitsgelegenheit stehe keine Pflicht des Antragsgegners gegenüber, sodass der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt sei.

Und so urteilte das Gericht: Der Bescheid ist nach der gebotenen summarischen Prüfung bereits nach der Inhaltskontrolle rechtswidrig , da er Pflichten für die Vergangenheit regelt, die die Antragstellerin gar nicht mehr erfüllen kann.

Weiterhin bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtswidrigkeit unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der auferlegten Bewerbungsbemühungen. Diese dürfen sich ihrerseits nur auf zumutbare Beschäftigungsverhältnisse richten. Der Umstand, dass als individuelle Maßnahmeziele betreffend die angebotene Arbeitsgelegenheit gemäߧ 16d SGB II die Aspekte „Tagesstrukturierung, Feststellen der Arbeitshaltung" genannt wurden, deutet vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin trotz ihres jungen Alters seit mehreren Jahren nicht in eine Beschäftigung vermittelt werden konnte, jedenfalls auch auf relevante Kompetenzdefizite hin, die von Seiten des Antragsgegners abzuklären und unter Wahrung des Grundsatzes der Nachrangigkeit geförderter Arbeitsverhältnisse und dem spiegelbildlichen Vorrang der Integration auf dem 1. Arbeitsmarkt in eine Abwägung gegenüber individuellen Förderungsmöglichkeiten, namentlich durch Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit, einzustellen wären.

Im Übrigen ist auch nicht erkennbar, dass vor dem Erlass des Eingliederungsverwaltungsakts eine hinreichende Verhandlungsphase durchlaufen wurde. Zwar wird dieses Erfordernis sowie, soweit ein solches bejaht wird, der Umfang der durch die Behörde vorzunehmenden Verhandlungsbemühungen (höchstrichterlich) unterschiedlich beurteilt. Allerdings liegt insoweit jedenfalls eine offene Rechtsfrage vor, deren Beantwortung sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren verbietet.

Nach alledem muss im Rahmen des vorliegenden einstweiligen Rechtschutzverfahrens auch nicht entschieden werden, ob die weiterhin von der Antragstellerin vorgetragenen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Eingliederungsvereinbarung (insbesondere betreffend die mangelnde Bestimmtheit, die Ermessensausübung im Rahmen des§ 16d SGB II und die Regelung der Kostenerstattung) durchgreifen. (sb, pm)

Bild: SZ-Designs – fotolia

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