G8: Warum die Medien versagt haben

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Die Medien und die G8 Proteste

"Wir wollen eine – objektive Presse" skandierten ungefähr 100 DemonstrantInnen am Freitag Nachmittag vor der NDR Bühne am Strand von Kühlungsborn, während die Moderatorin leicht verunsichert die Ereignisse der vergangenen Woche zusammenfasste. Diese Kritik traf offensichtlich den Nerv vieler anwesender JournalistInnen, die mit ihrer Berichterstattung rund um Heiligendamm sicherlich zu den großen Verlierern dieses Gipfels zählen.
Frau Merkel, die große Gewinnerin der Tage von Heiligendamm, war das gemeinsame Fazit vieler bürgerlicher Zeitungen am Ende des G8 Treffens. „Auf dem Gipfelpunkt der Macht“ sei die Kanzlerin angekommen, jubilierte die Springer Presse und selbst liberalere Printmedien beschworen einen großen Durchbruch in der Klimafrage und dem „Thema Afrika“. Wie vorgeblich kritische Journalisten, die den Gipfel beobachtet und das Abschlusspapier wenigstens punktuell gelesen haben, zu solch einem Fazit kommen können ist eigentlich unglaublich, und doch steht dies beispielhaft für eine Form von Berichterstattung die jegliches Interesse an Inhalten verloren hat.

Die TAZ, die in den Tagen von Heiligendamm trotz großer Präsenz in den Camps, sicherlich wenige neue LeserInnen gewonnen haben mag, schrieb am Samstag über die abschließende Pressekonferenz der Bundeskanzlerin, dass nur der „Beifall der anwesenden Journalisten gefehlt“ habe um die Haltung der Pressevertreter während des Gipfels noch deutlicher werden zu lassen. Aber auch ohne den Beifall für die unglaubwürdigen Erklärungen Merkels haben die kommerziellen Medien in den Tagen von Heiligendamm ihre letzten Überbleibsel kritischer Berichterstattung verloren. Inhalte spielen keine Rolle mehr, egal ob es dabei um eine generelle Auseinandersetzung mit dem Thema Gewalt geht, oder um eine Darstellung ökologischer Probleme, die über Katastrophenszenarien hinausgehen. Der Einsatz der Bundeswehr bei den Blockadeaktionen in der zweiten Hälfte der Woche wird ebenso hingenommen, wie der nachweisliche Einsatz von Provokateuren aus den Reihen der Polizei.

Kritik hat in einer modernen Hofberichterstattung auch einfach keinen Platz mehr, hat JournalistIn erstmal den Platz an den prall gedeckten Tafeln der Reichen und Mächtigen erreicht. Aus teuren Hotelsuiten schreibt sich einfacher in bester Boulevardmanier, wie die FR am Freitag: 2 volle Seiten mit sensationslastigen Tickermeldungen der Blockadeaktionen; warum diese stattfinden und warum dort Tausende Menschen mit viel Mut und Einsatz durch die Felder in die Demoverbotszone eindringen, interessiert dabei nicht. Natürlich ist es einfacher ein paar nette Bilder von bunt gekleideten Menschen zu zeigen, die bei strahlenden Sonnenschein die vollkommen überforderte Polizei umgeht; aber ist dies das Ziel einer kritischen Berichterstattung? Die Anwohner bei den Blockaden jedenfalls interessierten sich für wesentlich mehr als die Frage wie und wo wer über welches Feld gelaufen ist, um teilweise überrascht festzustellen, dass diese „jungen Leute“ wirklich eine Idee von einer anderen Politik haben und diese durch ihr kreatives und solidarisches Verhalten sogar vorleben.

Die elitären Vorstellung vieler Medienmacher, „dem einfachen Bürger“ seien komplexe Inhalte nicht zu vermitteln passt dies natürlich nicht ins Konzept und deshalb werden Feindbilder von vermummten Demonstranten produziert, die eine friedliche und unschuldige Polizei mit Steinen bewirft. Dass die Bilder der durchaus kritikwürdigen Auseinandersetzung auch die Brutalität der Polizisten gegen Unbeteiligte zeigen geht in dieser Suggestion vollkommen unter. Anstatt den Geschehnissen weiter nachzugehen wird lieber aus den Pressemeldungen der Polizei abgeschrieben, die sich nachweislich, im Falle der Verletztenzahlen, als manipuliert herausgestellt haben. Was darüber hinaus für Gewalt von den versammelten Industrienationen der Welt ausgeht und zwar nicht nur in Form von Kriegen, sondern ebenso in Form von materieller Ausbeutung, Marginalisierung und Ausschluss großer Teile der Weltbevölkerung von der Gestaltung der Politik spielt in großen Teilen der Berichterstattung überhaupt keine Rolle.

Eine junge Journalistin der „Welt“ erzählte uns im Camp, dass sie die politische Linie ihrer Zeitung durchaus kritisch sehe, sie sich aber ihre „Objektivität“ bewahre und darin in erster Linie die Chancen für ihre Arbeit sehe. Genau deshalb muss sich die vorgeblich „unabhängige“ Mainstreampresse fragen, ob sie in der Lage ist von einem subjektiven Standpunkt einen kritischen Journalismus zu praktizieren oder ob sie dieses Ziel, aufgrund vornehmlich materieller Interessen längst aufgegeben hat. Nur wenige Medien schließen sich dieser Form der Hofberichterstattung nicht an, und zwar vor allem auch deshalb, weil das kritische Verständnis von Objektivität und der eigene bewusste politische Standpunkt die Voraussetzung eines unabhängigen Journalismus bleiben. (Indymedia, 11.06.07)

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