Frisierte Arbeitsmarktzahlen für Erfolgsmeldungen

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Immer mehr Menschen arbeiten in sogenannten atypischen Beschäftigungsverhältnissen

01.08.2012

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden sei die Zahl der Beschäftigten in einem „Normalarbeitsverhältnis“ von 2010 auf 2011 um rund 610.000 Personen angestiegen. Allerdings bedienten sich die Statistiker einiger Tricks, um offenbar die Zahlen zu frisieren. Neu ist nämlich, dass zum Beispiel auch Schüler, Auszubildende und Rentner in der Statistik als „Vollzeitbeschäftigte“ geführt werden.

Dennoch wird die Meldung in der Medienlandschaft als „Erfolg“ gewertet. „Bis 2005 war die Zahl der Personen in Normalarbeitsverhältnissen stetig gesunken. Seit dem Jahr 2006 ist wieder ein Anstieg zu verzeichnen, der 2011 besonders deutlich ausfiel“, heißt es beispielsweise in der Tagespresse.

Einige Tricks um Statistik zu frisieren
Doch um gute Ergebnisse im Sinne der schwarz-gelben Regierungspolitik vorlegen zu können, wurde die Statistik offenbar mit einigen Tricks ausgestattet. So gelten zum Beispiel als „Normalbeschäftigte“ alle Erwerbstätigen mit einer Wochenarbeitszeit ab 21 Stunden. Das ist etwas mehr als die Hälfte der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,07 Stunden (2011). Zwar ist unklar, wie viele Arbeitnehmer tatsächlich weniger als 38,07 Stunden arbeiten, allerdings dürfte ein recht hoher Anteil der Arbeitnehmer zu „Vollzeit-Beschäftigten“ umgedeutet worden sein, obwohl sie die durchschnittliche Wochenarbeitszeit eines Vollzeit-Beschäftigten kaum erreichen. Daher spricht man aber seitens des Bundesamtes für Statistik auch nicht von „Vollzeitbeschäftigten“ sondern von sogenannten „Normalarbeitsverhältnissen“.

Die Niedriglohnschwelle in Deutschland lag im Jahre 2010 bei 9,15 Euro pro Stunde (Westdeutschland 9,54E/h, Ostdeutschland 7,04E/h). Die Zahl der Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor lag bei deutschlandweit rund 8 Millionen (23,1 Prozent). Bezogen auf die bundeseinheitliche Niedriglohnschwelle arbeiteten im Westen Deutschlands 19,9 Prozent und in Ostdeutschland 39,1 Prozent der Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor. Der gesamtdeutsche Niedriglohnanteil betrug 22,9 Prozent (im Vergleich zu 22,3 Prozent im Jahr 2008 und 22,8 Prozent im Jahr 2009). Die Zahl der „Niedriglohn-Beschäftigten“ ist vor allem im Westen erheblich gestiegen.

Die meisten Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor „qualifiziert“
In den Medien wird immer wieder behauptet, viele Menschen in den prekären Arbeitsverhältnissen wäre nicht „qualifiziert genug“. Aber auch das Statistische Bundesamt musste einräumen, dass die große Mehrheit der Betroffenen im Niedriglohnsektor über eine abgeschlossene Berufsausbildung oder einen akademischem Abschluss verfügt. Laut der Auswertung lag der Anteil der Personen mit Berufsausbildung bei 70,3 Prozent und der Personen mit akademischem Abschluss bei 9,3 Prozent; der Anteil ohne Berufsausbildung oder Studium nur bei 20,3 Prozent. Die Anteile der Teilzeitbeschäftigten (24,5%) und Minijobber/innen (30,7%) waren mit gut 55,2% zusammen höher, als der Anteil der Vollzeitbeschäftigten 44,8%. Besondere Risikogruppen sind beispielsweise Mini-Jobber, Unter 25jährige, Migranten, befristet Beschäftigte und Personen ohne Ausbildung.

Immer mehr Arbeitnehmer von atypischer Beschäftigung betroffen
Immer mehr Menschen sind von atypischer Beschäftigung betroffen. Als atypische Beschäftigung werden alle abhängigen Beschäftigungsverhältnisse verstanden, die eines oder mehrere der folgenden Merkmale aufweisen: eine Befristung des Vertrages (Zeitvertrag), Teilzeitbeschäftigung mit weniger als 20 Stunden, Arbeitsverhältnisse in der Leiharbeit sowie geringfügig Beschäftigte. Nach Angaben der Bundes-Statistiker sind rund 7,92 Millionen Menschen von der atypischen Beschäftigung betroffen. Das ist ein neuer Rekordwert. Der Anteil an sämtlichen Arbeitnehmern betrug rund 22,1 Prozent. Vor allem Frauen (5,6 Millionen) arbeiten in Teilzeit, befristet oder in Leiharbeitsstellen.

Die durchschnittlichen Stundenlöhne im Bereich des Niedriglohnsektors lagen in Westdeutschland bei 6,68 Euro und im Osten bei 6,52 Euro. Etwa 2,5 Millionen Angestellte arbeitenen für weniger als sechs Euro in der Stunde brutto. Ganz besonders betroffenen sind Frauen und Bürger in Ostdeutschland. Rund 50 Prozent der Mini-Jobber bekommen weniger als sieben Euro in der Stunde.

Neu am Report ist, dass nunmehr rund 500.000 Schüler, Studierende und Rentner mit einbezogen werden und den Vergleich zu vorangegangene Statistiken verwässern. (sb)

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