Essay: Des Volkes neue Kleider

Lesedauer 3 Minuten

von Daniel Neun

Angela Merkel, der wichtigste derzeit regierende, U-Boot fahrende Hosenanzug der Welt, entwickelt sich prächtig als größte denkbare Witzfigur der deutschen Politik seit Hans Eichel. Sie ist die Kanzlerin, die sich Deutschland redlich verdient hat. Es ist ihr einfach alles gleich. Genauso wie dem deutschen Bürgertum, das sie installiert hat.

Das ganze, bräsige Nichts im Lächeln, das Juhu der Belanglosigkeit, das karnickelhaft ergebene ins Große und Ganze der Umstände die man selbst produziert weil man sie nicht mal mehr begreift, das ganze Elend der Postmoderne, die Bourgeoisie-Falte der Geschichte, es hat einen Namen, wenn auch kein Gesicht.

Man freut sich schon jeden Tag aufs Neue zu hören wer denn jetzt wieder irgendetwas Wirres und gnadenlos Sinnfreies zu irgendwelchen Prozentklauseln zu erzählen hat. Bravo. Jede Gestik des SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach wäre mindestens einen Mel Brooks Film wert, das ganze Mühen des fleischgewordenen Professor-Propheten und verhinderten Finanzminister aus Heidelberg bei Christiansen ist wieder da, es herrscht ein Rütteln und Beben auf dem Politfriedhof, so viele drängt es aus der Gruft und über diesem eine Neonreklame: "Auswandern – wie ich mein Glück machte …"

Das Establishment hat Angst vor dem Volk (was, Kruzifix! , leider immer noch wählen darf, aber es, Gott sei Dank, nicht mehr tut), der ganze Pomp ist ihm auf die Knöchel gerutscht und jetzt sieht der Pöpel mit "des Volkes neue Kleider" am bibberndem Leibe auf den nackten Sektbauch der Oberschicht und wundert sich gar arg, was denn das alles zu bedeuten habe.

Falls es mal nach links blicken würde (das Volk, was keines sein darf), dann würde es einen Kreis von merkwürdig in einander gesteckten Figuren sehen, die sich weder bewegen, noch logischerweise irgendetwas sehen oder gar begreifen könnten, allerdings noch elegant mit links eine nicht enden wollende Flut von Statements von sich schreiben und gleich verlegen.

Aber schauen wir nach rechts.
Die "die-sollte-man"-Generation mit Schauze voll von Allem was da unten rumhängt, aber Schnauze zu, zu Allem was da über einem rumhängt, sucht sich ein Ventil zum Platzen, und da man nicht mehr weiß, was soll dieser Kreis auf der linken Seite, fängt man einfach an. Womit weiß keiner. Aber immer drauf. Auf wen weiß eigentlich auch keiner, denn der eine sagt "Ich will aber hier sein" und der andere ist lieber da und deswegen nicht mehr von hier. Aber immer noch besser als nichts, hat man das ja schließlich jeden Tag schon die ganze Zeit.

Kommt da Einer an und sagt "haste mal", ich sach "nee".
Kommt da Einer an und fragt, ich sach "jahaa".
Und kommt da keiner an, dann guck ich Talkshow.

Das Viereck kommt in der Natur ja nicht vor, "wie schade …" möchte man meinen, es würde sich prächtig als menschlicher Kopf machen. Jeder Gedanke würde (rumms!) an irgendwelche Ecken und Kanten poltern, er würde einsehen dass er da nicht rauskommt und sich ein Fenster suchen und dieses öffnen …

Man stelle sich vor: anstatt ellenlanger Bundestagsdebatten, die alle vorher mühsam geschrieben werden müssen, eine Spontan-Inszenierung der politischen, viereckigen Köpfe der Republik …

Wolfgang Bosbach, sein Scheitel zerfasert über drei Kanten, legt also die untere Fläche seines viereckigen Schädels entspannt auf das Rednerpult. Während sein Kiefer malt, hebt sich sein Kopf ruckartig zu den Silben und es tönt: "Wißt Ihr, wie mich das ankotzt hier …?"
Renate Künast, deren Lächeln nun seine volle Blüte entfaltet, sagt "a" sie habe von allem gewußt, "b" bei allem mitgemacht und "c" sie würde sich für nichts schämen müssen, weil, she did it "his way". Guido Westerwelle bittet mit offenem Hemd Michel Friedman auf die Bühne und macht ihm einen Antrag, für alles andere werden dezent Hilfsmittel besorgt und Oskar Lafontaine stößt bei seiner emotionalen Partyrede immer wieder mit der Hand an das Kinn über der Schulter.

Die Zeitungen begeistert, die Jugend entflammt, die Welt entspannt, schauen die Völker nun auf diese Stadt. Übrigens: wenn Sie irgendwo in der Ecke ein so merkwürdiges Bündel finden, Finger weg, es sind bestimmt die Nerven irgendeines Intellektuellen. Die können Sie nicht gebrauchen, schließlich können Sie mit dem ganzen Rest auch nichts anfangen.

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

Wird geladen ... Wird geladen ...