Erwerbsminderungsrente bei fehlender Wegefähigkeit

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LSG Stuttgart: Arbeitnehmer muss gefahrlos zur Arbeit kommen

01.04.2016

Stuttgart (jur). Können Arbeitnehmer wegen eines eingeschränkten Sehvermögens die üblichen Wege zur Arbeit nur noch unter Gefahr zurücklegen, sind sie erwerbsgemindert. Dies hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in einem am Donnerstag, 31. März 2016, veröffentlichten Urteil klargestellt (Az.: L 13 R 2903/14). Es sprach damit einem Erzieher eine volle Erwerbsminderungsrente zu.

Der Mann war seit dem 10. Mai 2010 wegen Depressionen zunächst dauerhaft krankgeschrieben, ab 25. Oktober 2011 bezog er Arbeitslosengeld. Einen Monat später entzündete sich der Sehnervenkopf an beiden Augen. Folge waren nicht mehr rückgängig zu machende Sehstörungen verbunden mit einem Gesichtsfeldausfall.

Die beantragte volle Erwerbsminderungsrente lehnte die Rentenversicherung zunächst ab. Der Mann könne noch als Poststellenmitarbeiter arbeiten. Er könne zudem seinen eigenen Haushalt komplett bewältigen, nehme Einkäufe zu Fuß wahr und bleibe auch immer wieder an PC-Spielen hängen. Erst ab dem 1. Januar 2013 wurde dem Erzieher die volle Erwerbsminderungsrente bewilligt.

Dieser klagte und meinte, dass ihm die Rente ab 1. Dezember 2011, also kurz nach seiner Augenerkrankung, zustehen müsse.

Dem folgte nun auch das LSG in seinem Urteil vom 22. März 2016. Der Erzieher könne laut Sachverständigengutachten seit seinem eingeschränkten Sehvermögen die üblichen alltäglichen Wegstrecken nur noch unter besonderer Gefahr zurücklegen. Daher stehe ihm auch ab Dezember 2011 die volle Erwerbsminderungsrente zu.

Eine wie beim Kläger bestehende Einschränkung der Wegefähigkeit liege vor, wenn Versicherte nicht mehr in der Lage sind, täglich viermal Wegstrecken von knapp mehr als 500 Meter innerhalb von 20 Minuten zu gehen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen.

Auch wenn der Sehbehinderte seinen Haushalt noch schaffe oder am PC spiele, folge daraus nicht, dass er ohne Gefahr die Wegstrecken zur Arbeit bewältigen könne. Laut Gutachten könne der Kläger Hindernisse im öffentlichen Raum nicht bemerken. Zur sicheren Teilnahme am Straßenverkehr sei eine Begleitperson erforderlich.

Vor der Augenerkrankung habe der Kläger auf die Poststellentätigkeit zwar noch verwiesen werden können, danach wegen der eingeschränkten Wegefähigkeit aber nicht mehr – zumal eine Besserung des Sehvermögens unwahrscheinlich sei. (fle/mwo)

Bild: sebra – fotolia

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