Caritas und Diakonie stellen Hartz IV-Beratung ein

Lesedauer 2 Minuten

Caritas und Diakonie in Köln stellen Hartz-IV-Beratung ein

Köln. Wovon die KEAs erst gar nicht träumen wollen: Allein das diakonische Werk in Köln hatte seine Hartz-IV-Beratung zuletzt mit einem Budget von satten 240.000 Euro unterfüttern lassen. Man spricht von insgesamt 23 „unabhängigen“ Beratungsstellen in Köln, die allesamt aus Mitteln der ARGE bzw. Stadt Köln finanziert wurden und werden. Damit könnte bald Schluss sein.

Die sowohl ideell als auch finanziell tatsächlich unabhängige und zudem sehr erfolgreich aktive Beratungsstelle der KEAs z.B., wird in der Aufzählung der 23 Institutionen gar nicht erst berücksichtigt. Dabei tummeln sich bei den KEAs gut qualifizierte und zertifizierte Rechtsberater, die nicht nur beraten, sondern Betroffene auch solidarisch zum Amt begleiten. Nicht unbedingt für Lau! Es wird erwartet, die empfangene Solidarität weiterzugeben, wenn andere Betroffene in Not sind und um Hilfe rufen. Ein wichtiger Aspekt der Selbstorganisation und Selbstermächtigung betroffener Menschen.

Bei Geld hört die Nächstenliebe auf
Die Kürzung bis hin zur totalen Einstellung der finanziellen Förderung solcher Beratungsstellen war lange angekündigt und politisch zur Diskussion gestellt. Insofern kommt der Protest, als solches Caritas und Diakonie die Einstellung ihrer Beratung verstanden wissen wollen, reichlich spät. Sie machen geltend, dass der Bedarf an Beratung größer ist, als das, was man zu leisten im Stande ist, wenn eine entsprechende Finanzierung ausbleibt.

Das entspricht natürlich einer gewissen Logik, die aber auch nicht verleugnet, dass 23 Beratungsstellen am Bedarf der Bedürftigen nicht schlecht verdienen. Da hängen Jobs dran, die wiederum abhängig sind davon, dass möglichst viele keinen Job haben und sie zudem bei der ARGE schlecht beraten sind.
Ohne die Arbeit der Beratungsstellen diskreditieren zu wollen, dieser innere Widerspruch kann nur gelöst werden, wenn das Engagement gleichermaßen darauf gerichtet ist, Armut und existenzielle Bedrohungen nicht nur zu verwalten, sondern zu verhindern. Vor allem die paritätischen Spitzenverbände Caritas und Diakonie sollten sich ihrer Macht und letztlich auch moralischer Verantwortung bewusst werden, in diesem Sinne den Hintern hoch zu kriegen, anstatt die Gesellschaft weiterhin gedankenlos zu vertafeln. Damit wird Armut nicht bekämpft, sondern geradezu ermöglicht und manifestiert. (Nicht selten verweisen ARGE-Mitarbeiter gönnerhaft auf das Angebot der kirchlichen Armenspeisung, während sie mit reinem Gewissen eine Sanktion verhängen!)

Marlis Bredehorst bleibt gelassen

Die grüne Sozialdezernentin Marlis Bredehorst bleibt angesichts der Mittelkürzungen bei den Beratungsstellen gelassen. Zwar räumt sie nach wie vor die Notwendigkeit „unabhängiger“ Beratungsstellen ein, verweist aber auf den Umstand, dass nunmehr die ARGE selbst ihrer allumfassenden Beratungspflicht stärker und besser nachkommen will. Das hierbei angesichts ARGE-interner Sparvorgaben Interessenkonflikte vorprogrammiert sind, bedarf keiner näheren Beschreibung. Bredehorsts Gelassenheit lässt sich keineswegs von den betroffenen Alg2-Empfängern in Köln teilen. Und der ungebrochene Andrang in den Beratungsstellen widerspricht ihrer Zuversicht.

Hartz IV ist Scheiße!

Das komplizierte Machwerk namens „Sozialgesetzbuch I bis XII“ ist das Eine. Die politische Dimension der Gesetzgebung Hartz I bis IV das Andere. Hier wird nicht nur der Regelsatz geregelt, sondern haarklein auch der Stellenwert einzelner Menschen, die irgendwo zwischen Keller- und Untergeschoss der Gesellschaft einsortiert, zwangsbetreut und zwangsbeschäftigt werden, während ihre Würde oft im Büro der ARGE zurückbleibt und dort mit Füßen getreten wird. Mag sich Hartz IV zur Kompensation der Wirtschaftskrise als Erfolgsstory gerieren, so ist Hartz IV auch eine Geschichte familiärer Tragödien bis hin zu Todesfällen.

Insofern ist jede Beratung nicht nur eine juristische, sondern immer auch eine moralische und politische Auseinandersetzung um menschliche Werte und um Gerechtigkeit. Schon jetzt erhalten viele Betroffene nur noch die Unterstützung, um die sie explizit auch kämpfen. Also geht es auch darum: Soziale Kämpfe! Welch makaberer, glücklicher Umstand, dass Die KEAs von den Mittelkürzungen nicht betroffen sind. (Die Keas, 06.11.2009)

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

Wird geladen ... Wird geladen ...