Hartz IV und Resozialisierung?

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Resozialisierung? ALG II und das Recht auf Wohnraum und Erstausstattung

Zum Thema ALG II und das Recht auf Wohnraum und Erstausstattung Vorbemerkung der Verfasserin des Berichts Vorausgeschickt sei hier, dass es sich um einen Fall aus meinem persönlichen Umfeld handelt. Es geht hier um meinen Mitbewohner Herrn S., der nach mehrjähriger Freiheitsstrafe bei Entlassung ohne festen Wohnsitz und zwangsläufig wieder in die Kriminalität zurückgeraten wäre, wenn ich ihm nicht ermöglich hätte, in meiner Wohnung in Untermiete ein Zimmer zu bewohnen. Im Auftrag und in Kooperation mit Herrn S. verfasse ich als Wohnungsgeberin den nachstehenden Bericht.

Herr S. wurde im April diesen Jahres aus der Haft entlassen. Laut Angaben des Sozialdienstes der JVA Bückeburg stünden ihm neben dem ALG II und der Kostenübernahme für Unterkunft und Wohnung eine Kostenübernahme für die Erstausstattung von Wohnraum in Höhe von EUR 1700,00 zu. Herr S. meldete sich bei der ARGE Bonn, wo zunächst versucht wurde, ihn mit der Antragsabgabe auf einen Termin für Ende Mai 2008 zu verweisen. Es wurde jegliche Hilfe verweigert mit der Begründung, da er ja 214.80 EURO Eigengeld bei Entlassung aus der Haft erhalten habe, sei er nicht bedürftig. Er bestand bei der Anmeldung im Foyer der ARGE Bonn darauf, direkt mit einem Sachbearbeiter zu sprechen, dies wurde zwar ermöglicht, Herr S. wurde jedoch ausgesprochen herablassend und diskriminierend behandelt zudem wurde ihm und seiner Vermieterin, die ihn begleitet hat der Sicherheitsdienst in den 3.Stock hinterhergeschickt.

Während der gesamten Wartezeit auf dem Flur patrouillierte der Sicherheitsdienst auf dem Gang. Andere Leute wurden nicht derart behelligt. Betreffend der Übernahme einer Wohnungskaution (die auch bei Untermietverhältnissen anfällt) und der Erstausstattung wurde Herr S. rundheraus abgewimmelt und alles wurde abgeblockt. Man redete sich darauf heraus, dass eben Leistungen, die in Niedersachsen gewährt werden, in NRW nicht vorgesehen sind. Am ersten September zog Herr S. nach Remagen, Kreis Ahrweiler, Rheinland-Pfalz, die Hauptmieterin der Wohnung hat ihren Wohnsitz aus beruflichen Gründen dorthin verlegt und Herrn S. die Weiterführung des Untermietverhältnisses angeboten. Herr S. stand diesbezüglich mit der ARGE Bonn in Kontakt, dort sagte man ihm dann erst die Übernahme der Umzugskosten zu – es könne unter einigen Umzugsunternehmen die mit der ARGE zusammenarbeiten jederzeit kurzfristig beauftragt werden und dies würde direkt mit der ARGE abgerechnet.

Diese Aussage stellte sich als falsch heraus, Herr S. bekam keinerlei Umzugsbeihilfe – es wären erst mit mindestens 3-4 Wochen Vorlauf mehrere Angebote einzuholen und bei der ARGE zur Prüfung vorzulegen gewesen. Die Zusage, die Kosten für Wohnungsbeschaffung (Kaution) zu übernehmen, die von der ARGE Bonn gemacht wurde diente der Sozialbehörde Remagen als Vorwand diese Kaution nicht zu übernehmen, es wäre vorher dort die Genehmigung und die Kostenübernahme zu beantragen gewesen. Hiergegen wurde Widerspruch eingelegt und die Angelegenheit einer Rechtsanwältin für Sozialrecht übergeben. Inzwischen droht Herrn S. erneut Wohnungslosigkeit, da die Behörde weder die Kaution noch bisher die Miete für September und Oktober überwiesen hat.

Es ist für Herrn S. kein tragbarer Weg im Falle der eintretenden Wohnungslosigkeit ins Obdachlosenwohnheim zu ziehen, nach Verbüßung der ersten Haftstrafe wurde er einem Obdachlosenwohnheim zugewiesen, wo er erneut rückfällig wurde (Drogen, Alkohol). Jedoch bewilligte die Sozialbehörde in Remagen die Kostenübernahme für die Erstausstattung der Wohnung in Form eines Bezugsscheins in Höhe von 1200 Euro. Auf diesem Bezugsschein ist jeder einzelne Einrichtungs- – und Haushaltsgegenstand aufgelistet, dieser Bezugsschein gilt nur und ausschließlich für das Sozialkaufhaus LISA in Bad Breisig – es wird auf diesem Bezugsschein jeglicher Anspruch auf Barleistungen ausgeschlossen, falls bei LISA die genannten Gegenstände nicht vorhanden sind. Eine Beihilfe für eine Wohnungsausstattung als Geldleistung wurde von der Remagener Sozialbehörde ausgeschlossen. Es wird also im Grundsatz nicht ermöglicht, dass z.B. in einem Möbelgeschäft Inventar ausgesucht wird Herr S.. suchte sich im Sozialkaufhaus LISA ein Bett, einen Teppich, einen Kühlschrank, ein 2-Sitzer und ein 3-Sitzer-Sofa, einen Kleiderschrank sowie Bettzeug, Geschirr, Gläser, Besteck und Kochtöpfe aus. Die Sachen wurden am 14 September angeliefert – hierzu ist zu sagen, dass hier keine Hilfe beim Verbringen der Möbel in den 3. Stock (kein Aufzug vorhanden) erfolgte und Herr S. sich jemanden zum Mithelfen suchen musste.

Die Einrichtungsgegenstände wurden auf der Straße vor der Haustür abgestellt. Der Zustand der Einrichtungsgegenstände ist eine einzige Katastrophe, es ist ein Schlag ins Gesicht und eine Diskriminierung sozial benachteiligter Menschen. Das Bett ließ Herr S. direkt wieder mitnehmen, das Bett ist kaputt, das Holz gesplittert, Stellen, die teilweise mehrfach gebrochen waren nur provisorisch mit Holzleim geklebt. Der Kühlschrank ist komplett kaputt, die Tür schließt nicht, das Kühlaggregat ist komplett kaputt, außen finden sich vielfache Roststellen, der Kühlschrank ist von innen beschädigt, die Innenwände sind eingerissen es findet sich an mehreren Stellen dicker Schimmelbelag, in einem Seitenfach befindet sich verschmutzte Alufolie. Der Teppich ist komplett verschmutzt, es finden sich viele Flecken, im Gesamten ein verschmutztes Erscheinungsbild, der Teppich riecht und wird schon allein deshalb zunächst nicht in die Wohnung gelegt. Beide Sofas sind in verschmutztem Zustand, teilweise eingerissener Stoff, unfachmännisch und notdürftig mit Bindfaden "angepinnte" Polster, defekte Reißverschlüsse. Beim Kleiderschrank sind keinerlei Schrauben, Scharniere, Verbindungen etc. vorhanden. Das Bettzeug unsauber und ungewaschen, ebenso die Bettwäsche – diese Sachen wurden wegen Geruchs zunächst auf dem Balkon gelagert. Die Küchenutensilien sind dreckig – anders kann man das nicht bezeichnen. Die Besteckteile sind angelaufen, die Holzgriffe machen einen „speckigen“ Eindruck, 2 Kochlöffel sind fast schwarz verbrannt, zu den vorhandenen Tassen gibt es keine Unterteller, alles in allem ist in absolut unbefriedigendem weil unsauberen und ungepflegten Zustand.

Es wird größter Wert auf die Feststellung gelegt, dass es hier nicht um das von Springer, RTL etc. bemühte Vorurteil vom Anspruchsdenken à la „sich bereichernder Harzt IV-Klient, der sich auf Kosten der Allgemeinheit Designermöbel finanzieren lässt“ geht. Zudem muss an dieser Stelle gesagt werden, dass das Sozialkaufhaus LISA für die o.g. Einrichtungs- – und Haushaltsgegenstände insgesamt 400 EUR der Stadt Remagen in Rechnung stellt. Das genannte Sozialkaufhaus besteht seit 2007 und bezieht bis voraussichtlich 31 Dezember Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln. Träger des Sozialkaufhauses ist die Caritas Rhein-Mosel-Eifel. Hier wird aus der Notlage blutigstes Kapital geschlagen! Es geht darum, dass jemand nur das haben will, was ihm zusteht – nicht mehr, nicht weniger. Es geht darum, dass jemand, der insgesamt fast 10 Jahre Freiheitsstrafe hinter sich hat, wieder in ein normales geregeltes Leben zurückfinden will – und hierzu gehören menschenwürdiger Wohnraum und eine menschenwürdige Ausstattung. Herr S. besitzt noch nicht mal ein Bett – er campiert im Wohnzimmer auf dem Sofa der Wohnungsgeberin. Herr S. kann sich das Zimmer, dass er in Untermiete bewohnt nicht vernünftig einrichten, weil ihm keinerlei vernünftiges, brauchbares Mobiliar gewährt wird.. Herr S. besitzt außer einem Koffer und teilweise ausgeliehenen Kleidungsstücken nichts! (Sabine D. Lesch, 22.10.2008)

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