Lausige Tricksereien gegen Sozialhilfebezieher

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Lausige Tricksereien gegen Sozialhilfebezieher

Lörrach. Weil sich das Kreissozialamt beharlich weigert, ihm gesetzliche »Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten« (§§ 67 SGB XII) zu gewähren und darüber irreführende Angaben in einem Widerspruchsbescheid gemacht hat, hat ein erwerbsloser Journalist aus Lörrach gegen die Leiterin des Sozialdezernats und den Fachbereichsleiter der Widerspruchsstelle Strafanzeige wegen “Anstiftung und Beihilfe zur Falschbeurkundung im Amt” erstattet (§ 348 StGB). Er sieht darin mehr, als eine “längst überfällige Reaktion” in eigener Sache, und will andere Hartz-IV-Bezieher ermutigen, begründete Rechtsansprüche nach dem SGB XII (vormals “Hilfe in besonderen Lebenslagen“) nötigenfalls vor Gericht einzuklagen.

Seit 2008 lebt der Betroffene, ein 56jähriger Journalist, unter unzumutbaren Verhältnissen in einem Kellerraum mit 19 qm, ohne Kochgelegenheit und “Gemeinschafts-WC”. Dreihundert Euro Miete bezahlt die Grundsicherung für Arbeitssuchende dafür! Seine vormaligen Wohn- und Arbeitsräume wurden 2007 zwangsgeräumt; der gesamte Hausrat, Möbel, Kleidung, Arbeitsinventar usw. auf Veranlassung des Gerichtsvollziehers bei einer Möbelspedition eingelagert. Monatliche Kosten: 700 Euro! Zur Vorgeschichte:

Frühjahr 2008: Um sein Eigentum zurück zu erhalten, tritt der Journalist mit der Bitte um »Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten« an das Kreissozialamt heran. Die Freigabe wäre mit etwas Goodwill und geringen finanziellen Mitteln, z.B. als Darlehen, erreichbar gewesen. Doch die Behörde lässt ihn abblitzen, schiebt die Verantwortung auf der Grundsicherung für Arbeitssuchende (GAL) ab. Dort stößt sein Anliegen ebenfalls auf taube Ohren: Die GAL erbringe Leistungen nach dem SGB II; eine Übernahme von Lagerkosten sei darin nicht vorgesehen. Das Sozialgericht gibt der Grundsicherung in einer Eilentscheidung recht, versäumt es jedoch, den Fall mit der gebotenen Deutlichkeit in den Rechtsbereich des SGB XII, d.h. an die Kreisbehörde, zurück zu verweisen.

Sommer 2009: Die rückständige Lagermiete hat sich von 1400,- auf runde 10.000,- Euro aufsummiert. Die Möbelspedition droht mit Pfandverkauf – es geht um Alles oder Nichts. Der Journalist beruft sich auf seinen gesetzlichen Pfändungsschutz, doch das Amtsgericht winkt ab: Der gesetzliche Pfändungsschutz greift nur bei gerichtlichen Vollstreckungsmaßnahmen; vorliegend handle es sich jedoch um einen Pfandverkauf nach dem Handelsrecht. So kam es, dass der gesamte Hausrat samt Arbeitsinventar, Schätzwert ca. 50.000 Euro, im September 2009 für läppische 3500,- Euro verramscht wurde. Den Erlös behielt die Möbelspedition ein.

Doppelte Ironie des Schicksals
Dass dem Journalisten aus soviel staatlicher Willkür ein Rechtsanspruch auf eine Erstausstattung an Hausrat, Möbeln und Kleidung (aus Steuermitteln!) entstanden ist, von dem er de facto bis heute keinen Gebrauch machen kann, ist eine doppelte Ironie des Schicksals: Seit über einem Jahr strampelt sich der 56jährige vergeblich dafür ab, aus seinem Kellerraum in eine Wohnung mit angemessener Größe umzuziehen. Die Grundsicherung für Arbeitssuchende ließ seine Unterkunft vom Außendienst inspizieren und räumt ein: Der Umzug ist dringend notwendig. Der Betroffene kann sich keine warmen Mahlzeiten zubereiten, die sanitären Einrichtungen sind unzureichend, der Kelleraum feucht und trotz Heizung oft unterkühlt. Es stellen sich zunehmend gesundheitliche Probleme ein. Doch das Kreissozialamt bleibt stur. Im März reicht er beim Sozialgericht eine Feststellungsklage ein. Nun soll das Gericht prüfen, ob er einen Rechtsanspruch auf die verweigerte Hilfe hat.

Die Kreisbehörde lässt das alles kalt. Hilfesuchende, die sich artikulieren und schriftlich zur Wehr setzen (können) sind hieroffenbar unerwünscht. Arrogant wiegelt sie in ihrem Widerspruchsbescheid vom 31.8.10 ab, der Betroffene sei, Zitat:

„…ein Journalist, dessen Auftreten und Umgang mit Behörden und Gerichten berechtigte Zweifel an der geltend gemachten Hilfebedürftigkeit aufkommen lassen.“

Außerdem sei es ihm im Dezember 2009 gelungen, selbst eine Wohnung anzumieten, in die er jedoch nicht eingezogen sei. Dies zeige, dass sich der Betroffene selbst helfen könne und dem „Kreis der anspruchsberechtigten Personen“ nicht angehöre. Dass die Kreisbehörde zuvor ein Maklerunternehmen mit der Wohnungsvermittlung beauftragt hatte, und warum der Umzug kurzfristig abgesagt werden musste, lässt der Widerspruchsbescheid offen: Die Behörde weigerte sich einen Sozialarbeiter dafür abzustellen, den Betroffenen bei der Umzugsorganisation und komplizierten Verhandlungen über den Strom- und Gasbezug zu unterstützen (Beratungshilfe). Das Risiko, in eine möglicherweise unbeheizte leere Wohnung ohne Stromversorgung einzuziehen, war einfach zu groß – deswegen musste der Umzug im letzten Moment abgesagt werden.
Maulhalten heißt jetzt Vertraulichkeit

Abschießend wird dem Betroffenen noch unterstellt, die Überprüfung seiner Hilfebedürftigkeit durch eine (nachträglich hinzugezogene) kirchliche Fachberatungsstelle zu behindern, die sich weigere, einen sogenannten „Fachkraftbericht“ zu erstellen. Das brachte das Fass zum überlaufen: Nachdem die Kreisbehörde eine Frist zur Stellungnahme ungenutzt verstreichen lässt, erstattet der Journalist vergangene Woche Strafanzeige wegen “Falschbeurkundung im Amt”.

Auszug: »Richtig ist, dass es überhaupt nicht im Ermessen des Antragstellers liegt, ob ein solcher „Fachkraftbericht“ erstellt wird oder nicht […] weder mit der Kreisbehörde noch mit der von ihr (nachträglich) hinzugezogenen Fachberatungsstelle des Erich-Reisch-Hauses wurde eine vertrauliche Behandlung von Gesprächsinhalten vereinbart…«

Der Betroffene ist überzeugt, dass die Kreisbehörde durch ihre irreführende Darstellungen in einer öffentlichen Urkunde (Widerspruchsbescheid) auf illegitime Weise Einfluss auf den Verfahrensausgang nehmen will. Dies aber ist ihr aufgrund ihrer Aufgabengabenstellung und besonderen Sorgfaltspflicht im Urkundenverkehr – noch dazu in einem schwebenden Verfahren – strikt untersagt; bereits der Versuch ist gem. gem. § 348 Abs. 2 StGB strafbar. Man darf nunmehr gespannt sein, ob die Lörracher Strafverfolgungsbehörden diese Einschätzung teilen und das Verfahren eröffnen. (26.9.2010/jowi)

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