Hartz IV: Was tun bei ALG II-Regelsatz-Kürzungen

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Was tun, wenn der ALG II Regelsatz per Absenkungsbescheid nach § 31 SGB II gekürzt wird?

(14.05.2010) Immer mehr Hartz IV-Bezieher sind davon betroffen. Aufgrund angeblicher Pflichtverletzungen wird der Arbeitslosengeld II-Regelsatz als Sanktionsmaßnahme gekürzt. Bei jungen Menschen unter 25 Jahren wird die Regelleistungen sogar noch schneller und härter sanktioniert. Bei dem kargen Regelsatz ein herber Schlag, weil die ALG-Bezüge schon so kaum ausreichen. Doch ein Absenkungsbescheid nach §31 SGB II ist nicht immer rechtlich abgesichert. Deshalb empfiehlt es sich, den Bescheid eingehend zu prüfen oder durch eine unabhängige Beratungsstelle prüfen zu lassen. Sollten an der Rechtmäßigkeit Zweifel bestehen, so empfiehlt es sich einen entsprechenden Widerspruch anzufertigen und gegeben-falls Klage bei einem Sozialgericht einzulegen. Sie sind nicht allein, wie die steigende Klageflut aufgrund der Hartz-IV Gesetze beweist.

Rechtliche Fehler bei den Absenkungsbescheiden.
Oftmals ergeben sich rechtliche Fehler, weil nicht die richtige Rechtsgrundlage von der Behörde gewählt wurde, eine Rechtsfolgebelehrung nicht eindeutig und umfassend erfolgte oder der Beginn des Sanktionszeitraums rechtlich falsch ist. Häufig sanktioniert wird aufgrund von §31 Abs. 1 und §31 Abs. 2 des SGB II. Laut §31, 1 Nr. 1, S. 2 SGB II wird der Hartz-IV Regelsatz um 30 Prozent gekürzt, wenn man als "erwerbsbfähiger" ALG II Bezieher – trotz Belehrung über die Rechtsfolgen und ohne gewichtigen Grund – sich weigert eine sogenannte Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben. Ein weiterer Grund ist, wenn man die in einer Eingliederungsvereinbarung aufgeführten Pflichten nicht erfüllt. Diese Pflichten umfassen meistens, sich im ausreichenden Maße eigenverantwortlich um eine zumutbare Arbeit, eine Ausbildung oder eine nach § 16a SGB II geförderte Arbeit zu bemühen. Behörden verlangen u.a. die regelmäßige Vorlage von Bewerbungsanschreiben. Die Ablehnung eines sog. Ein-Euro-Jobs führt ebenfalls zunächst zu einer 30-prozentigen Absenkung des ALG II Regelsatzes.

Sanktionen aufgrund Kündigung oder Abbruch einer Maßnahme.
Laut §31 I 1 Nr. 2, S. 2 SGB II wird der Regelsatz auch dann um 30 Prozent gekürzt, wenn der Betroffene "eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit" abgebrochen oder Anlass für den Abbruch gegeben hat, also eine selbst verschuldete Kündigung der Maßnahme oder der Arbeitsstätte erfolgte.

Für versäumte Meldetermine in der Behörde oder das Versäumen eines ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermins wird der ALG II-Regelsatz um 10 Prozent gekürzt (§24 SGB II) , falls kein gewichtiger Grund für das Nichterscheinen bestand. Hier ist es wichtig, dass eine Rechtsfolgebelehrung statt gefunden hat und der Termin schriftlich bekannt gegeben wurde. Bei weiteren Terminversäumnissen kann der ALG II-Bezug sogar um einhundert Prozent auf Null gesenkt werden.

Sanktionen aufgrund von § 66 SGB I.
Manchmal kommt es vor, dass die Arge den Regelsatz nicht aufgrund des §31 SGB II sanktioniert, sondern sich auf den § 66 SGB I berufen. Hierbei sollte der Absenkungsbescheid noch einmal genau geprüft werden. Zwar enthält auch dieser Paragrafen § 60 bis 62, 65 SGB I auch Mitwirkungspflichten, jedoch ist diese allgemeine Regelung nur dann rechtlich verwendbar, wenn das SGB II selbst keine sog. Sondervereinbarungen enthält.

Doch für die aller meisten Tatbestände, nachdem eine Sanktion rechtlich gerechtfertigt ist, existieren bereits Sonderregelungen im SGB II. Insbesondere die allgemeine Meldepflicht, also die Pflicht, sich einer psychologischen oder ärztlich Untersuchen zu lassen, sind in §59 SGB II und §309 SGB III gesondert geregelt. In diesem konkreten Beispiel ist also eine Sanktion nach §66 SGB I eigentlich nicht möglich. Anwendbar ist §66 SGB I nur in zwei Fällen. Diese Fälle sind dann gegeben, wenn man es sich um die Angabe von Tatsachen handelt oder beispielsweise Unterlagen nicht eingereicht werden. Alle anderen Sanktionen können praktisch nur unter Berufung nach §31 SGB II ausgesprochen werden. Wurde eine Absenkungsbescheid dennoch aufgrund §66 SGB I ausgesprochen, sollte der Bescheid durch einen Rechtsanwalt oder einer Beratungsstelle umgehend geprüft werden.

Gleichzeitige Anwendung von §31 SGB II und §66 SGB I.
Teilweise kommt es vor, dass aufgrund § 31 SGB II und § 66 SGB I eine Kürzung des Regelsatzes ausgesprochen wurde. Die Anwendbarkeit dieser zwei Paragrafen ist rechtswidrig, da § 66 SGB I nur dann angewendet werden darf, wenn § 31 SGB II keine Sondervereinbarungen enthält. Zudem verstößt dieses Vorgehen gegen die Verfassung, da es das verbürgte Übermaßverbot gibt und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz behördlich eingehalten werden muss.

Keine umfassende Rechtsfolgebelehrung
Fehlt eine Rechtsfolgebelehrung oder wurde diese nicht konkret, verständlich, richtig und vollständig ausgeführt, so darf nach höchster Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (AZ: B 14 AS 53/08 R) die Sanktion nicht ausgesprochen werden. Eine bloße Auflistung von Paragrafen reicht dabei nicht. Vielmehr muss die Behörde den Betroffenen im Vorfeld genau aufklären, welche Folgen eine Zuwiderhandlung in sich birgt. Dabei muss auch der Einzelfall berücksichtigt werden. Der Betroffene muss genau informiert sein, was passiert, wenn er beispielsweise eine Maßnahme abbricht. Eine Rechtsfolgebelehrung ist auch dann rechtswidrig, wenn auf einem ausgehändigten Merkblatt alle Sanktionen aufgezählt werden und der Betroffene die Sanktion quasi selbst raus suchen muss.

Für Vergangenheit ausgestellte Rechtsbelehrungen.
Auch für die Vergangenheit ausgestellte Rechtsbelehrungen, seien diese auch rechtlich einwandfrei, sind rechtlich nicht korrekt. Bloße Rechtsbelehrungen in den Eingliederungsvereinbarungen – selbst wenn diese rechtlich korrekt sind- sind nicht ausreichend, um eine Sanktion auszuführen. Nur eine auf den Einzelfall bezogene Rechtsfolgebelehrung ist rechtlich korrekt, um eine nachfolgende Sanktion auszuführen, wenn tatsächlich eine sog. Pflichtverletzung vorliegt.

In der Rechtsfolgebelehrung wurden 30 Prozent Kürzungen angedroht, aber 60 Prozent gekürzt.
Nicht korrekt sind auch Rechtsfolgebelehrungen, wenn diese nicht umfassend sind. Dies ist dann der Fall, wenn eine Sanktion aufgrund einer Pflichtverletzung mit einer 30-prozentigen Regelsatzkürzung in den Rechtsfolgebelehrungen angekündigt wurde, der Betroffene allerdings dann eine 60-prozentige Kürzung der Bezüge erfährt. Oftmals passiert das dann, wenn der Betroffene nach § 66 SGB I belehrt wurde, die Behörde dann aber eine Sanktion nach § 31 SGB II ausspricht. Auch das ist rechtswidrig.

Wie lange dauern Hartz IV Sanktionen und ab wann gelten diese?
Sanktionen werden für drei Monate ausgesprochen. Die Wirkung eines Sanktionsbescheides gilt erst ab dem dritten Tag (§ 37 II 1 SGB X) nach Ausstellung des Sanktionsbescheides. So erfolgt die Sanktion erst in dem Kalendermonat, der dem Wirksam werden des Abesenkungsbescheids folgt, also im Folgemonat. Oftmals erlassen jedoch Behörden die Sanktion schon vorher. Das ist ebenfalls rechtswidrig.

Unabhängig ob die sanktionierte Pflichtverletzung tatsächlich inhaltlich richtig ist, ist es sinnvoll Ablehnungsbescheide sorgfältig zu prüfen. Wenn die aufgeführten Beispiele bei Ihnen zutreffen, empfiehlt sich der Gang zu einer unabhängigen Erwerbslosenberatungsstelle oder das Konsultieren eines Anwalts. Hilfe können Sie auch in zahlreichen Erwerbslosenforen erhalten. Auch in unserem Forum kann ein Austausch mit anderen Betroffenen von Vorteil sein. (sb)

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