Hartz IV: Vorwurf der Desinformation der BA

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Hartz IV-Plattform erhebt Vorwurf der rechtswidrigen Desinformation zum Nachteil von Hartz IV Betroffenen gegen das Bundessozialministerium
"Öffentliche Hand behindert Recht auf rückwirkende Sozialleistungen für den Fall der Regelsatzerhöhung durch das Bundesverfassungsgericht
"

Die Hartz4-Plattform wirft dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) sowie dem Wiesbadener Hartz IV-Amt, Landshauptstadt Wiesbaden (LHW), rechtswidrige Desinformation zum Nachteil von “Hartz IV-Kunden“ vor. Denn mittlerweile hat auch die Wiesbadener Behörde eine Formulierungsempfehlung des BMAS übernommen. “Darin wird,“ nach Meinung von Hartz4-Plattform-Sprecherin Brigitte Vallenthin, “Betroffenen indirekt von der Nutzung ihrer Rechte abgeraten, falls es zu einer durch das Bundesverfassungsgericht angeordneten Regelsatz-Erhöhung kommt. Das ist ein rechtswidriges Beschwichtigungs- und Ablenkungsmanöver, das nach unserer Einschätzung nur ein Ziel haben kann – nämlich Menschen, die jahrelange Entbehrungen und Hunger durch ein menschenunwürdiges Gesetz erlitten haben, auch noch von der Nutzung Ihres Rechts auf eine kleine finanzielle Entschädigung abzubringen.“

Nach Einschätzung der Hartz4-Plattform verstoßen BMSA und ausführende Behörde der LHW damit gegen ihre gesetzlichen Pflichten. Denn im § 13 des Ersten Sozialgesetzbuch heißt es: “Die Leistungsträger (…) sind verpflichtet, (…) über die Rechte (…) nach diesem Gesetzbuch aufzuklären.“ Und weiter im § 14: “Jeder hat Anspruch auf Beratung über seine Rechte (…) Zuständig für die Beratung sind die Leistungsträger (…).“ “Wir sehen im Verhalten der Wiesbadener Hartz IV-Behörde einen gravierenden Gesetzesverstoß, der umso schwerer wiegt, als er “von oben“ aus dem Bundesministerium angeordnet wurde,“ so Vallenthin. In der auch von der LHW übernommenen Textempfehlung des BMAS heißt es nämlich in einem sog. “Zusicherungstext“: “Dem Bundesverfassungsgericht liegt die Frage vor, ob die Vorschrift, mit der die Regelleistung für Kinder (…) festgesetzt wird, mit dem Grundgesetz vereinbar ist.(…) Der im Bescheid genannte Leistungsträger sichert zu, dass der vorliegende Bescheid für den Fall, dass sich aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine neue Rechtslage ergibt, die für Sie (…) die Bewilligung einer höheren Leistung zur Folge hätte, dementsprechend geändert wird.“

Zum Schluss seines Schreibens vom 19. Februar 2009 betont das BMAS die Dringlichkeit seiner Anweisung mit den Worten: “Ich bitte die Bundesagentur für Arbeit, dafür Sorge zu tragen, dass die beschriebene Vorgehensweise bereits jetzt (…) umgesetzt wird.“

“Es ist unglaublich, dass diese Formulierung in sämtlichen Bescheiden außerdem die Information unterschlägt, dass dem Bundesverfassungsgericht nicht nur eine Überprüfung der Verfassungswidrigkeit für den Kinder-Regelsatz sondern ebenfalls eine für alle Regelsatzberechtigten vorliegt. Hier wird beschwichtigend der täuschende Eindruck erweckt, als brauche man sich um nichts zu kümmern – die Behörde werde schon alles Notwendige regeln,“ stellt Brigitte Vallenthin fest. “Dabei verschweigt gerade dieser ministerielle Satzbaustein die Behördenpflicht, die Betroffenen über ihre entscheidenden Rechte zu informieren.“ Die Sozialbehörde wäre mindestens durch die §§ 13 und 14 SGB I verpflichtet, darüber aufzuklären, dass sich die Dinge keineswegs von alleine erledigen, sondern dass es eines Überprüfungsantrages nach § 44 SGB X bedarf, um seine rückwirkenden Leistungsansprüche zu sichern. Die sind vom Gesetz so vorgesehen: “Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht (…) worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. (…) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen (…) bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht.“

Dieser Umgang von Sozialbehörden mit Menschen, die – im Verlaufe der Krise in vermutlich dramatisch ansteigender Zahl – in eine Notlage geraten, ist nach Ansicht der Hartz4-Plattform nicht länger hinzunehmen. Einerseits steht in jedem Leistungsbescheid: Sie sind “verpflichtet, alle Änderungen von Tatsachen, die für die Hilfegewährung maßgebend sind (…), mitzuteilen. (…) Hierzu gehören selbstverständlich auch Sachverhalte, die die Hilfe verringern.“ Nach dem Gesetz gilt ungekehrt für die Behörden aber auch eine Informations-Pflichte, wenn es um leistungserhöhende Rechte geht. Diese wurde hier unterlassen. “Es ist ein Skandal,“ findet Brigitte Vallenthin, “dass die Hartz IV-Ämter glauben, so handeln zu können, als sei das Gesetz nur eine Einbahnstraße zulasten der Leistungsberechtigten.“ (29.06.2009)

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