Hartz IV: Statt einem, vier Bildungspaket-Anträge

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Hartz IV: statt einem nun bis zu 4 Anträgen an verschiedenen Stellen

12.05.2011

Aufgrund des sog. Hartz IV Bildungspakets erfolgte ein Zerpflücken der Zuständigkeiten für die Leistungen des SGB II, die nun bei einer Vielzahl unterschiedlicher Stellen beantragt werden müssen.

Das am 1. April 2011 rückwirkend zum 1.Januar 2011 in Kraft getretene Bildungspaket (Leistungen für Bildung und Teilhabe) beschert Hartz IV-Empfängern nicht nur bislang vom Gesetzgeber aus Kostengründen vorenthaltene Leistungen für ihre Kinder, sondern auch eine Vielzahl von verschiedenen Anträgen, die alle an verschiedenen Stellen gestellt und bearbeitet werden müssen.

Zuständig für die Leistungen für Bildung und Teilhabe ist der kommunale Träger der Jobcenter, der diese Zuständigkeit vielfach weiter verteilt hat. So kommt es nun dazu, dass Hartz IV-Empfänger Leistungen für Klassenfahrten, Schulausflüge, für Freizeit und Nachhilfe, Fahrkosten zur Schule und den Mehraufwand für die schulische Mittagsversorgung nicht beim Jobcenter, sondern bei einer Vielzahl an verschiedenen Stellen innerhalb der kommunalen Verwaltung stellen müssen.

Für den Mehraufwand der schulischen Mittagsversorgung und Fahrkosten zur Schule kann z.B. der Fachdienst Schulverwaltung zuständig sein, für Nachhilfe der Fachdienst Familie und Jugend (damit sich die Leistungen nicht überschneiden) und für Klassenfahrten, Schulausflüge und Freizeiten eine weitere dafür eingerichtete Verwaltungsstelle.

Alle Hartz IV-Leistungen aus einer Hand, wie es am Jahresanfang noch aus der Bundesregierung tönte? Darüber können Antragsteller nur noch verzweifelt den Kopf schütteln. Neben dem ALG II-Antrag beim Jobcenter sind nun die Leistungen für Bildung und Teilhabe bei vielen verschiedenen kommunalen Fachdiensten zu stellen, Antragsteller trifft so die ganze Härte der bundesdeutschen Bürokratie. Bei einer derartigen Unübersichtlichkeit der Zuständigkeiten und der damit verbundenen Antragsflut muss man sich nicht wundern, wenn Antragsteller davor kapitulieren und erst gar keine Anträge auf Leistungen für Bildung und Teilhabe für ihre Kinder stellen.

Man stelle sich auch das Chaos vor, das nun aufgrund von Widersprüchen wegen Ablehnung oder nur anteiliger Leistungsgewährung der Leistungen für Bildung und Teilhabe folgt. Hartz IV-Empfänger werden bald eine qualifizierte Bürokraft benötigen, um das alles bewältigen zu können.

Vielleicht wird ja so der Arbeitsmarkt etwas belebt? Natürlich werden die meisten Hartz IV-Empfänger damit heillos überfordert sein, was keinesfalls an niedrigem Bildungsniveau, sondern dem hier vom Gesetzgeber und den Leistungsträgern praktizierten bürokratischen Wahnsinn liegt, bei dem selbst hochspezialisierte Anwälte oft machtlos sind und der Methode hat. Denn Leistungsberechtigte, die sich von dieser Bürokratie überfordert sehen, stellen keine Anträge, was Geld spart – so einfach ist das.

Das Chaos wird noch dadurch verstärkt, dass selbst bei erfolgreichen Anträgen die Leistungen vielfach nicht gewährt werden können, weil diese nicht an den Hartz IV-Empfänger ausgezahlt werden dürfen, sondern nur an den Leistungsanbieter, also z.B. den Essensversorger, den Sport- oder Nachhilfeverein oder die Schule. Kaum einer davon ist jedoch bereit, sich dem dazu erforderlichen enormen bürokratischen Aufwand zu unterziehen. Vielfach haben Schulen gar keine eigenen Konten, um Zahlungen für Klassenfahrten und Schulausflüge entgegen zu nehmen, weshalb Kinder daran nicht teilnehmen können – oder deren Eltern bezahlen die Kosten stattdessen wieder aus ihrem kargen Regelsatz. Und alles nur, weil Frau Merkel, Herr Westerwelle und Frau v.d. Leyen der Meinung sind, dass Hartz IV-Empfänger diese Gelder nicht in die Hand bekommen dürfen, weil sie die sonst "versaufen". Um sicherzustellen, dass die Leistungen für Bildung und Teilhabe dazu verwendet werden, wofür sie gedacht sind, hätte die rechtliche Koppelung der Leistungsgewährung an eine einfache Nachweispflicht genügt.

Hartz IV-Empfänger, bzw. deren Kindern, stehen die Leistungen für Bildung und Teilhabe zwar nun endlich rechtlich zu, sie bekommen sie aber trotzdem nicht – wegen unüberwindbarer bürokratischer Hürden. Letztlich scheitert so die Umsetzung des Bildungspakets an dessen Regeln. (fm)

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