Hartz IV: Sozialdatenschützer werden aktiv

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Sozialdatenschützer werden aktiv

Wegen der öffentlichen „Zur-Schau-Stellung“ von Sozialdaten von 35 Hartz IV-Betroffenen in den Bochumer Tageszeitungen vom 9. und 10. Sept. 2009 ist zwischenzeitlich auch die Landesdatenschutzbeauftragte aktiv geworden. Die ARGE Bochum wird u. a. angefragt, ob eine hinreichende Abwägung stattgefunden habe zwischen dem Sozialgeheimnis einerseits und den Zustellungserfordernissen andererseits. (1).

Verschärfend kommt hinzu, dass einige der Zur-Schau-Gestellten durchaus unter der angegeben Adresse erreichbar waren und den ausgelobten Bescheid sogar erhalten hatten. Weitere wären einfach aufzufinden gewesen über öffentliche Adressverzeichnisse oder durch eine Anfrage beim örtlichen Melderegister. Hier verfügt die ARGE offensichtlich über eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit. Die Frage ob das zulässig ist wird nun als nächstes (und damit als dritter Skandal nach bekannt werden der „Vorratsdatensammelwut“ mit Hilfe von „Mietbescheinigungen“ (2) den Landesdatenschutz beschäftigen. Ob der Zugriff auch in umgekehrter Richtung (von der Kommune zu den Daten der ARGE) möglich ist ist hier nicht bekannt. Vorstellbar ist das, technisch machbar auch. In diesem Zusammenhang wird geprüft, ob es sinnvoll ist, die strafrechtliche Relevanz dieser Vorgänge staatsanwaltschaftlich bewerten zu lassen.

Zwar kann eine Behörde aus beweisrechtlichen Gründen auch die Form der „öffentlichen Zustellung“ wählen. Dabei ist aber der Sozialdatenschutz weitestgehend zu beachten. Hier wurden unzulässigerweise Einzelheiten über Verfahren veröffentlicht. Zudem wird teilweise gegen eine Geschäftsanweisung der Bundesagentur (3) verstoßen, wonach in bestimmten Fällen die öffentliche Zustellung nur durch Aushang zulässig ist. Kluge Behörden verfügen zu diesem Zweck sinnigerweise über spezielle Schaukästen am Hintereingang – die Betroffenen erfahren ohnehin so oder so nichts über den Zustellungsvorgang.

Diese Veröffentlichung „am Zeitungspranger“ hat in der Bevölkerung, in Sozial- und Wohlfahrtsorganisationen, bei den Beschäftigten unterschiedlicher Sozialberatungsstellen und in Anwaltskreisen Empörung hervorgerufen. Sie ist geeignet, die Angst der Menschen vor einem Absturz in die „Grundsicherung“ zu vergrößern und beeinträchtigt damit die Basis unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens. Es kam zu etlichen Beschwerden und Eingaben an die Landesdatenschutzbeauftragte. Auch die Bochumer FDP-Ratsfraktion hat den Fall aufgegriffen.

Besondere Bedeutung erlangen diese Vorgänge durch die aktuellen Datenpannen um die Bundesagentur für Arbeit: Mitarbeitende bundesweit, Maßnahmeträger und sogar UnternehmerInnen auf Beschäftigtensuche haben ohne jegliche Kontrolle einer Zugangsberechtigung Zugriff auf persönliche Daten einschließlich der Informationen über vorliegende Krankheiten oder soziale Probleme. Seit der Vorbereitung der Hartz IV-Umsetzung in 2004 sind die Datenschutzbeauftragten mit dieser Problematik befasst. Die Lage ist nach wie vor ausgesprochen unbefriedigend. (Sozialberatung Bochum, 01.11.2009)

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