Hartz IV: Sinkende Anzahl der ALG II Zuschläge

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Warum sinkt die Anzahl der Menschen, die einen befristeter Zuschlag gemäß § 24 SGB II (Hartz IV) erhalten?

Wie das Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe e.V . in einer "Kurzmitteilung" bekannt gab, sank die Anzahl derjenigen, die einen Anspruch auf den Zuschlag gemäß § 24 SGB II, also einen befristeten Zuschlag zum Arbeitslosengeld II nach dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld I (SGB III) haben, um etwa zwei Drittel gemessen an den letzten 3 Jahren. Im März 2009 hatten knapp 147.000 SGB II-Bedarfsgemeinschaften bzw. 4,1 Prozent der SGB II Bedarfsgemeinschaften Anspruch auf den Zuschlag gemäß § 24 SGB II.

Die monatlichen Leistungsansprüche betrugen im März 2009 insgesamt 15,7 Millionen Euro bzw. durchschnittlich 106,58 Euro pro SGB II-Bedarfsgemeinschaft mit Anspruch auf den befristeten Zuschlag. Anspruch auf den Zuschlag gemäß § 24 SGB II haben "erwerbsfähige Hilfebedürftige", wenn sie innerhalb von zwei Jahren vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit (SGB II) Arbeitslosengeld gemäß SGB III (alias Alg I) bezogen haben, das zusammen mit dem ggf. bezogenen Wohngeld gemäß Wohngeldgesetz höher war als ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld II und Sozialgeld (einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung). Der Zuschlag beträgt maximal zwei Drittel dieser Differenz. Er ist im ersten Jahr bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen auf höchstens 160 Euro, bei Partnern auf höchstens 320 Euro und bei Kindern in der Bedarfsgemeinschaft auf höchstens 60 Euro pro Kind begrenzt und wird nach dem ersten Jahr um 50 Prozent vermindert (halbiert). Der Anspruch endet zwei Jahre nach dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld (SGB III).

Bis Oktober 2005 hatten noch über 500.000 SGB II-Bedarfsgemeinschaften Anspruch auf den Zuschlag gemäß § 24 SGB II. In den folgenden drei Jahren sank die Zahl der anspruchberechtigten SGB II-Bedarfsgemeinschaften um über 70 Prozent auf 139.000 im November 2008. Seitdem steigt sie erstmals seit Ermittlung entsprechender Daten im Juni 2005 leicht an, auf knapp 147.000 im März
2009, dem bisher letzten Berichtsmonat für den die nach einer Wartezeit von drei Monaten revidierten
Daten veröffentlicht wurden.

Der Anteil der SGB II-Bedarfsgemeinschaften mit Anspruch auf den befristeten Zuschlag gemäß § 24 SGB II an den SGB II -Bedarfsgemeinschaften sank von über 14 Prozent im Juni 2005 auf nur noch 4,0 Prozent Ende 2008. Im März 2009 hatten lediglich 4,1 Prozent der insgesamt 3,557 Millionen Bedarfsgemeinschaften Anspruch auf diesen Zuschlag.

Die Summe der monatlichen Leistungsansprüche aller SGB II-Bedarfsgemeinschaften mit Anspruch auf Zuschlag gemäß § 24 SGB II sank von über 55 Millionen Euro bis September 2005 bzw. über 50 Millionen Euro bis März 2006 auf unter 15 Millionen Euro Ende 2008. Seitdem steigt die Summe der monatlichen Leistungsansprüche erstmals leicht an. Im März 2009 bestanden monatliche Leistungsansprüche von insgesamt 15,7 Millionen Euro. Die durchschnittliche Höhe des monatlichen Leistungsanspruchs pro SGB II-Bedarfsgemeinschaft mit Anspruch auf den befristeten Zuschlag bewegte sich im Betrachtungszeitraum (Juni 2005 bis März 2009) zwischen 100 und 110 Euro.

Mögliche Erklärungen (Gründe) für die insbesondere in den Jahren 2006 bis 2007 extrem gesunkene Zahl der SGB II- Bedarfsgemeinschaften mit Anspruch auf Zuschlag gemäß § 24 SGB II sind u.a.:

– Der deutlich gestiegene Anteil erwerbsfähiger Hilfebedürftiger, die in den letzten 12 Monaten vor Eintritt ihrer Hilfebedürftigkeit schon einmal auf Arbeitslosengeld II angewiesen waren. Diese erwerbsfähigen Hilfebedürftigen dürften i.d.R. keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld (SGB III) erworben haben, der einen Anspruch auf den Zuschlag gemäß § 24 SGB II begründet. Unter den Zugängen erwerbsfähiger Hilfebedürftiger waren im Jahr 2006 etwa 42,3 Prozent erwerbsfähige Hilfebedürftige mit vorherigem SGB II-Leistungsbezug in den letzten 12 Monaten vor Eintritt ihrer erneuten Hilfebedürftigkeit. Im Jahr 2007 waren dies 51,1 Prozent der Zugänge und im Jahr 2008 bereits 54,7 Prozent. Der Anteil erwerbsfähiger Hilfebedürftiger, die in den letzten drei Monaten vor Eintritt ihrer Hilfebedürftigkeit schon einmal auf Arbeitslosengeld II angewiesen waren, stieg von 22,5 Prozent im Jahr 2006 auf 32,7 Prozent im Jahr 2008. Dagegen sank der Anteil erwerbsfähiger Hilfebedürftiger „mit vorherigem SGB III-Leistungsbezug“ (i.d.R. Arbeitslosengeld) in den letzten drei Monaten vor Eintritt ihrer Hilfebedürftigkeit von 13,8 Prozent im Jahr 2006 auf 9,2 Prozent im Jahr 2008

– Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit einem, im Vergleich zum Bedarf gemäß SGB II, relativ hohen Anspruch auf Arbeitslosengeld (SGB III) dürften, insbesondere in einer Phase des Beschäftigungsaufschwungs, deutlich seltener arbeitslos werden und wesentlich seltener länger als die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (§ 127 SGB III) arbeitslos bleiben als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit einem niedrigen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Beschäftigte (Erwerbstätige) ohne Anspruch auf Arbeitslosengeld. Dies dürfte auch durch die „betriebswirtschaftliche Steuerung“ und durch den erst zum 1. Januar 2008 abgeschafften sog. Aussteuerungsbetrag gemäß § 46 Abs. 4 SGB II (alt) „gefördert“ worden sein.

Am Rande: Nimmt man die jüngsten Aussagen der Haushaltsexperten der SPD- und CDU/CSUFraktion im Deutschen Bundestag, Carsten Schneider und Steffen Kampeter, zum sich bis 2013 möglicherweise auf über 50 Milliarden Euro summierenden Defizit der Bundesagentur für Arbeit (BA) ernst, könnte eine neue Stufe der „betriebswirtschaftlichen Steuerung“ bevorstehen. Im Handelsblatt wird Carsten Schneider (SPD) mit der – angesichts der jüngsten Änderungen des SGB III durch den Gesetzgeber – erstaunlichen Aussage zitiert: „Es muss das Verursacherprinzip gelten“. Der BA solle nur auf Darlehensbasis geholfen werden. Und sein Koalitionskollege Steffen Kampeter (CDU) fordert in diesem Zusammenhang: „Wir wollen bei der BA den Anreiz der Wirtschaftlichkeit
aufrechterhalten“. Der Vorstand der BA könnte dies zu einer betriebswirtschaftlich begründeten stärkeren Konzentration der Vermittlung auf (noch) nicht arbeitslose Arbeitsuchende und arbeitslose Arbeitsuchende mit (perspektivischem) Anspruch auf Arbeitslosengeld bewegen – zu Lasten der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (SGB II, Hartz IV) und der Arbeitslosen ohne Anspruch
auf Lohnersatzleistungen und Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende

– Nicht zuletzt: Zugänge und Abgänge von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen aus bzw. in Erwerbstätigkeit erfolgen offensichtlich zunehmend aus bzw. in Erwerbstätigkeit im wachsenden Niedriglohnsektor6 bzw. im Sektor mit Bruttolöhnen, die bei Eintritt einer Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II (insbesondere bei größeren Bedarfsgemeinschaften) keinen Zuschlag gemäß § 24 SGB II
erwarten lassen. (Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe e.V ., 20.07.2009)

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