Hartz IV Kritiker soll Bundespräsident werden!

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Butterwegge statt Steinmeier – Armut bekämpfen statt Armen per Gesetz

23.11.2016

„Totalitär ist das »Hartz-IV«-System insofern, als es sämtliche Poren der Gesellschaft durchdringt und die Betroffenen nicht mehr losläßt, ihren Alltag völlig beherrscht und sie zwingt, ihr gesamtes Verhalten danach auszurichten.“ Prof. Dr. Christoph Butterwegge Die Partei DIE LINKE will Christoph Butterwegge als Kandidat für den Bundespräsidenten nominieren – gegen Frank-Walter Steinmeier, den Favoriten von CDU / CSU, SPD und Grünen. Damit setzt DIE LINKE ein Zeichen gegen Sozialabbau, neoliberale Ausbeutung – und vor allem gegen das Hartz-IV-System.

Während Steinmeier maßgeblich die Agenda 2010 und die Entrechtung von Erwerbslosen durch Hartz-IV durchsetzte, profilierte sich der Politikwissenschaftler Butterwegge als einer der versiertesten Streiter gegen Hartz-IV.

Im Kampf gegen die Armut
Der Kölner Professor ist Armutsforscher und fordert einen gerechten Sozialstaat, in dem jeder Mensch in materieller Sicherheit lebt und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann. Er war lange SPD-Mitglied, wandte sich aber von der Partei ab, als die Sozialdemokratie mit der Agenda 2010 Erwerbslosen und Kleinverdienern ihre Menschenrechte nahm und dem Kapital zur vollständigen Ausbeutung auslieferte.

Er schrieb: „Sowohl die von dem Gesetzespaket unmittelbar Betroffenen wie auch ihre Angehörigen und die mit ihnen in einer »Bedarfsgemeinschaft« zusammenlebenden Personen werden stigmatisiert, sozial ausgegrenzt und isoliert. Für alle übrigen Gesellschaftsmitglieder hat sich die soziale Fallhöhe durch »Hartz IV« ebenfalls vergrößert. Arbeitnehmer, Betriebsräte und Gewerkschaften stehen unter einem stärkeren Druck, geringere Löhne und schlechtere Arbeitsbedingungen zu akzeptieren, seit die Furcht vor dem materiellen Absturz sogar in der Mittelschicht um sich greift.“

Der Professor bewegt sich nicht im akademischen Elfenbeinturm, sondern spricht die soziale Realität aus und gibt den per Gesetz in Armut Gezwungenen eine Stimme, die die rot-grüne Koalition mit ihrem Vollstrecker Steinmeier und nach ihr die Merkel-Regierung unsichtbar machten.

Butterwegge fasste zehn Jahre Hartz-IV nämlich so zusammen: „Wer die brisante Mischung von berechtigter Empörung, ohnmächtiger Wut und blankem Haß auf »die Etablierten« kennt, wie sie wohl nur in »Hartz-IV«-Beratungsstellen und Versammlungen von Erwerbsloseninitiativen existiert, sofern die Betroffenen nicht schon resigniert und sich ganz aus der Öffentlichkeit zurückgezogen haben, kommt zu dem Schluß, daß innerhalb der Bundesrepublik zwei Welten oder »Parallelgesellschaften« existieren und die Brücken dazwischen abgebrochen worden sind.“

Der Politikwissenschaftler wird nicht für das höchste Amt gewählt werden, denn die LINKE hat in der Bundesversammlung, die den Bundespräsidenten wählt, nur 94 von 1260 Stimmen. Die Große Koalition steht selbstredend hinter Steinmeier. Immerhin handelt es sich um genau die Parteien, die die Entrechtung der Armen durch Hartz-IV einführten und den Terror gegen Erwerbslose seitdem immer weiter ausbauten.

Steinmeier ist der Kandidat des „Weiter so“, der in altväterlichem Ton die sozialen Grausamkeiten gegen die per Gesetz zu den Ärmsten der Armen gemachten in schöne Worte fasst.

Es geht der Linken nicht darum, dass Butterwegge Präsident wird, sondern darum, die soziale Ungleichheit in die Öffentlichkeit zu bringen, also das Schweigen der Hartz-IV-Koalition aus CDU / CSU, SPD und Grünen zu durchbrechen und damit die Möglichkeit zu schaffen, eine soziale Gesellschaft zu denken.

Butterwegge zieht Bilanz: „Wenn aus dem »Land der Dichter und Denker« ein Land der Stifter und Schenker wird, die für Arme und Bedürftige sorgen, zieht sich der Staat mit Hinweis auf ihre karitative Tätigkeit und den expandierenden Markt der Barmherzigkeit am Ende ganz aus der Verantwortung für die soziale Sicherung seiner Bürger zurück. Zivilgesellschaftliches beziehungsweise bürgerschaftliches Engagement kann, so wichtig es sein mag, die im Grundgesetz verankerten sozialen (Staats-)Bürgerrechte aber nie vollwertig ersetzen.“

Butterwegge möchte Hartz-IV nicht „reformieren“ wie die Grünen, die zaghaft fordern, zumindest die Sanktionen gegen Erwerbslose zu beenden, sondern abschaffen und durch ein System der sozialen Gerechtigkeit ersetzen.

So schrieb er: „Die »Hartz-Gesetzgebung« hat Deutschland mitsamt seinem Wohlfahrtsstaat, seiner (sozial)politischen Kultur und seinem jahrzehntelang auf Konsens orientierten gesellschaftlichen Klima viel stärker verändert als manche parlamentarische Weichenstellung der Nachkriegszeit. Fragt man nach den immateriellen Schäden, seelischen Verwundungen und Veränderungen im Alltagsbewußtsein, die besonders »Hartz IV« unter den Betroffenen hervorgerufen beziehungsweise hinterlassen hat, braucht das Gesetzespaket womöglich selbst einen Vergleich mit beiden Weltkriegen nicht zu scheuen.“

Butterwegge wird kein Bundespräsident werden. Der Konsens der Politik für die Reichen und Mächtigen von CDU/CSU, SPD und Grünen sorgt dafür, dass mit Steinmeier der Kandidat für Sozialabbau, Verelendung, Managerboni, Niedrigstlohn und der Abschaffung der Grundrechte für Arbeitslose die Armut per Gesetz mit schönen Worten verschleiern wird.

Die Nominierung des Kölner Armutsforschers streut aber zumindest Sand in das Getriebe der organisierten Menschenfeindlichkeit. (Dr. Utz Anhalt)

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