Hartz IV: Drohen neue Zwangsumzüge?

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Menschenverachtende Sparvorschläge zur Entlastung der Kommunen: Sollen Hartz IV Bezieher nur noch in 25 Quadratmeter großen Wohnungen leben dürfen?

(23.07.2010) Zur "finanziellen Entlastung der Kommunen" drohen Arbeitslosengeld II Beziehern empfindliche Hartz IV- Kürzungen bei den Wohnkosten. Nach einer Empfehlung einer sog. Experten Kommission des Bundesarbeitsministeriums sollen Kommunen zukünftig selbst bestimmen, wie groß Wohnungen von Hartz IV Beziehern sein sollen. Momentan gilt der durchschnittliche Richtwert für Singel im Hartz-IV Bezug sind 45 Quadratmeter angemessen. Laut "Expertengruppe" mit dem Titel "Arbeitsgruppe Standards" könnten auch 25 Quadratmeter "angemessen" sein, um Kosten der Kommunen und Städte zu sparen. Im SGB II ist jedoch nur verankert, dass die Kosten der Unterkunft "angemessen" sein müssen.

Bei einer kleinen Anfrage der Bundestagsfraktion "Die Grünen" an die Bundesregierung kamen die neuen Sparvorschläge bei Hartz IV und Sozialleistungen zutage. Nun soll bei den Wohnkosten massiv gekürzt werden. Hartz IV Bezieher sollen in noch kleinere Wohnungen zusammengepfercht werden. Ginge es nach der Experten Runde des Arbeitsministeriums so sollen zukünftig nur noch 25 Quadratmeter angemessen sein. Zudem wird empfohlen, dass die Kommunen künftig selbstständig in Satzungen bestimmen können, wieviel Wohnkosten übernommen werden. Das Bundesarbeitsministerium verwies allerdings in einer Anfrage durch die Redaktion, es "handle sich hierbei um einen Diskussionsentwurf" und um keine konkrete Planung.

Insgesamt habe die Experten Runde 200 Vorschläge erarbeitet. Auch andere Sozialkürzungen seien vorgesehen. So schlägt die Runde vor, Behinderte Menschen dürfen zukünftig nicht mehr kostenlos mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Auch soll der Zugang zu Behindertenwerkstätten massiv beschnitten werden. Was tatsächlich von den "Vorschlägen" umgesetzt wird, entscheidet das Bundesarbeitsministerium und weitere Fachressorts. Zunächst werden die Vorschläge auf Durchführbarkeit geprüft.

Der Bund zahlt immer weniger für die Unterkunftskosten von Hartz-IV Beziehern. Denn der Anteil der Übernahme der Kosten für den Bund wird von 26 auf 23,6 Prozent gekürzt. Den Rest müssen die Kommunen selbst tragen. Der "Experten-Vorschlag" ist als Versuch zu sehen, die Reduzierung des Bundes auf dem Rücken der Erwerbslosen auszutragen. Aus diesem Grund gab es immer wieder Vorschläge, wie die Kosten der Unterkunft reduziert werden können. Ein Vorschlag war, die Kosten der Unterkunft (Heizkosten Miete) nur noch pauschal zu berechnen. Durch den neuen Vorschlag scheint dieser unsinnige Vorschlag zunächst vom Tisch.

Die kommunal politische Sprecherin der Grünen, Britta Haßelmann, bezeichnete den "Experten-Vorschlag" als "Unding". "Damit steigt der Druck auf die Kommunen, die Leistungen in den Satzungen relativ niedrig anzusetzen." Die Grünen Politikerin warnt aus diesem Grund vor einer Prozesswelle an den Sozialgerichten. Auch der Deutsche Mieterbund sieht in den Vorschlägen nicht viel gutes. Die derzeitige Regelung sichert Hartz-IV-Empfängern menschenwürdiges Wohnen. Hier gibt es keine Einsparmöglichkeiten", erklärte Lukas Siebenkotten, Direktor des Deutschen Mieterbundes.

"Es stellt sich die Frage, ob Artikel 1 des Grundgesetzes noch für alle in der Bundesrepublik lebenden Menschen gilt", erklärte der Bundesgeschäftsführer des Sozial- und Wohlfahrtsverbandes Volkssolidarität, Dr. Bernd Niederland, am Freitag in Berlin. "Die durch Medienberichte bekannt gewordenen Empfehlungen aus dem Bundesarbeitsministerium, allein lebenden Beziehern von Hartz IV-Leistungen nur noch einen Wohnraum von 25 Quadratmetern als "angemessen" zuzugestehen, deuten auf das Gegenteil hin. (sb)

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Bild: Dr. Klaus-Uwe Gerhardt / pixelio.de

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