Hartz IV-Bezieher in die Altenpflege?

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Hartz-IV-Betroffene sollen laut Fachpersonal nicht in die Altenpflege.

Die Idee aus den Reihen der Politik, dass Empfänger von ALG II in Altenheimen arbeiten könnten, stößt bei Mitarbeitern dieser Einrichtungen auf herbe Kritik – denn solch ein Vorgehen richte sich gegen die Berufsehre und demonstriere, dass die physisch und psychisch anstrengende Arbeit des Pflegepersonals nicht ernst genommen werde. Der Vorschlag, der schon häufiger von Politikern kam und nun jüngst von der SPD-Vizechefin Hannelore Kraft geäußert wurde, betrifft insbesondere Langzeitarbeitslose, also diejenigen die keine Möglichkeit (mehr) auf dem "ersten Arbeitsmarkt" haben und nun als Unterstützung für die derzeit etwa 350.000 Altenpfleger in Deutschland zum Einsatz kommen sollen. Altenpfleger wie z.B. Thomas Wahle aus dem Justina von Cronstetten Stift in Frankfurt zeigt sich angesichts solcher Vorschläge gegenüber "Welt Online" wütend: Unqualifizierte Arbeitssuchende "einfach so" in der Altenpflege einsetzen zu wollen, sei dem Angestellten nach sowohl für Pfleger als auch für die Bewohner der Heime "herabwürdigend", denn schließlich würde auch niemand seitens der Politik vorschlagen, unqualifizierte "unvermittelbare" ALG II-Empfänger im Bereich der Kinderbetreuung einsetzen zu wollen. Ein weiterer wunder Punkt sei die Berufehre – denn da der Beruf des Altenpflegers relativ schlecht bezahlt ist, käme der Einsatz von Hartz-IV-Empfänger in der Altenpflege einer Nicht-Achtung der täglich erbrachten Leistung des qualifizierten Personals gleich, getreu dem Motto: Das kann doch jeder.

Ausgangspunkt für die immer mal wieder aufkommende Idee, Langzeitarbeitslose nun in Altenheimen "unterzubringen" bildet für die Politik die Statistik – Hannelore Kraft geht von 1,2 Millionen "nicht vermittelbaren, aber grundsätzlich arbeitsfähigen" Hartz-IV-Empfängern aus, die Bundesagentur für Arbeit spreche laut "Welt online" hingegen von "933.000 Kunden mit Vermittlungshemmnissen". Damit sind all diejenigen gemeint, die keinen Beruf erlernt oder Sprachprobleme haben oder oft krank sind. Diese Bedürftigen sollen, wie es die SPD-Politikerin formuliert, "gemeinwohlorientierte Tätigkeiten" ausüben: Als Hefer in Sportvereinen, Straßenkehrer oder eben als Unterstützung in Altenpflegeheimen. Ein weiterer wichtiger Aspekt, warum im Zusammenhang mit Arbeitsmöglichkeiten für Langzeitarbeitslose gerade Altenheime der Politik so am Herzen liegen, scheint die immer schlechter werdende Personalsituation in diesen Einrichtungen zu sein, denn obwohl die Anzahl pflegebedürftiger Menschen aufgrund des demografischen Wandels stetig steigt, gibt es viel zu wenig ausgebildete Pflegerinnen und Pfleger – Gründe dafür seien laut "Welt online" vermutlich im schlechten Image des Berufs und der niedrigen Bezahlung zu finden. Und so hat diese Situation zur Folge, dass in Altenheimen laut der bundesweiten Heimpflegeverordnung bereits jetzt schon nur noch die Hälfte des Personals ausgebildetes Fachpersonal sein muss, der Rest wird von angelernten Fachkräften übernommen.

Entsprechend der Kritik und dem Ärger über Krafts Idee aus den Reihen des Pflegepersonals wird auch bei den Grünen argumentiert, denn laut "Welt online" läge es für Elisabeth Scharfenberg, Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion für Pflege- und Altenpolitik, auf der Hand, dass fehlendes Personal in der Pflege nicht durch Laien ersetzt werden könne, sondern dass Qualifizierung notwendig sei – "Anstatt Notpflaster zu kleben, müssen wir das Image des Berufs aufwerten und Menschen für eine Ausbildung begeistern. Vorschläge wie der aktuelle werten das Bild des Berufs aber weiter ab, anstatt es zu stärken."

Auch bei Michael Graber-Dünow – dem Heilmleiter des Justina von Cronstetten Stifts in Frankfurt und Chef von Thomas Wahle – stößt der Vorschlag der SPD-Politikerin auf klare Ablehnung, denn die Arbeit in einer Altenpflegeeinrichtung erfordere nicht nur eine entsprechende Ausbildung, sondern auch Teamwork und eine ausgeprägte Empathie – denn so könne selbst auf den ersten Blick einfach erscheinendes "Vorlesen" besonders bei alten und häufig demenzkranken Menschen aufgrund der benötigeten Hilfe sehr aufwendig werden. Gerade für Demenzkranke wäre dem Heimleiter nach ausgebildetes Personal unerlässlich – denn eine unter Umständen "falsche" Betreuung durch Laien könne hier die Situation durchaus verschlechtern.

Das sieht die Politik hingegen ein wenig anders: Um auf die steigende Anzahl an Demenz leidender Patienten zu reagieren und parallel für mehr Personal im Pflegebereich zu sorgen, wurde nach einem Vorstoß der großen Koalition im Jahr 2008 ein neuer Beruf erschaffen – 20.000 so genannte "zusätzliche Betreuungskräfte" sollten dem Plan nach helfen, die Situation zu verbessern, was allerdings bis heute noch nicht abgeschlossen ist und laut "Welt online" bei Michael Graber-Dünow auch starkes Bedenken auslöst: "Wenn Sie einen Arbeitslosen zwanghaft verpflichten, mit Alten zu arbeiten, nützt das keinem etwas – sondern beschert unseren Pflegern sogar noch zusätzliche Arbeit". (15.03.2010)

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