Anwälte: Bei Hartz IV hohe Gewinnrate vor Gericht

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Anwälte: Bei Hartz IV kann man nur gewinnen

05.05.2014

Als Gerhard Schröders Agenda 2010 im Jahr 2005 eingeführt wurde, lachte sich wohl mancher Anwalt ins Fäustchen. Dank komplizierter Berechnungsmodelle, vielen unbestimmten Rechtsbegriffen, Ausnahmeregelungen und unzähliger offener Fragen entwickelte sich Hartz IV rasch zum neuen Betätigungsfeld für Anwälte. Das berichtet der „Spiegel“ in seiner aktuellen Ausgabe. Das Nachrichtenmagazin beruft sich dabei auf das in dieser Woche erscheinende Buch „Vorsicht Rechtsanwalt – ein Berufsstand zwischen Mammon und Moral" von dem Juristen und ehemaligen Fernsehjournalisten Joachim Wagner.

Anwälte können bei Hartz IV-Verfahren nur gewinnen
Angaben des Magazins zufolge, wendete die Bundesagentur für Arbeit (BA) im Jahr 2012 39,6 Millionen Euro für Anwaltshonorare auf, die für die rechtliche Vertretung von Hartz IV-Beziehern anfielen. 44 Prozent der Klagen waren 2011 erfolgreich. Das lag vor allem daran, dass die Hartz IV-Gesetze unzählige Lücken und uneindeutige Regelungen beinhalten. Hinzu kommt, dass sie bereits mehr als 60-mal modifiziert werden mussten. „Jeder fünften Klage wird stattgegeben", zitiert das Magazin Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, „weil sich vom Zeitpunkt des Bescheides bis zum Gerichtsverfahren die Gesetzeslage geändert hat."

Für Anwälte sind Hartz IV-Bezieher aber nicht nur deshalb so lukrativ als Mandanten. Gewinnt der Jurist das Verfahren, muss das Jobcenter für sein Honorar aufkommen, verliert er vor Gericht, springt die Justizkasse ein. Diese übernimmt die Kosten für die Anwaltshonorare von Menschen mit geringem Einkommen, sofern ein Antrag auf Beratungs- und Prozesskostenhilfe gestellt und genehmigt wird. Wird der Antrag jedoch vom Gericht abgelehnt, verzichten aber viele Anwälte auf ihr Honorar, um die Betroffenen nicht noch zusätzlich finanziell zu belasten.

Wie das Nachrichtenmagazin berichtet, sei das lukrative Geschäft der Hauptgrund, warum einige Anwälte nicht zögerten, sogar Kleinstbeträge einzuklagen – meist auf Staatskosten. So mussten die Berliner Jobcenter 2010 sechs Sozietäten jeweils mehr als 100.000 Euro, in einem Fall sogar über 300.000 Euro für Hartz IV-Prozesse zahlen, die zugunsten der Leistungsbezieher entschieden wurden. Ein einziger Jurist könne ganze Behörden mit seiner Klageflut lahmlegen, so das Magazin. So würden im niedersächsischen Gifhorn nach Schätzungen des Jobcenters etwa zwei Drittel aller Widersprüche gegen Bescheide Im Zeitraum von 2008 bis 2012 auf einen einzigen Rechtsanwalt zurückgehen. Die Behörde kostete das 2012 mehr als 72.000 Euro. Im Unstrut-Hainich-Kreis in Thüringen mussten sogar zehn zusätzliche Mitarbeiter vorübergehend eingestellt werden, um die Klageflut eines Anwalts bewältigen zu können.

Überprüfungsanträge und Untätigkeitsklagen
Da die Jobcenter und Sozialgerichte nach dem Amtsermittlungsgrundsatz dazu verpflichtet sind, Sachverhalte gründlich zu prüfen und zu klären, schreiben viele Anwälte reihenweise Überprüfungsanträge, die lediglich eine Aufforderung zur Prüfung eines Sachverhalts beinhalten – ebenfalls ein ertragreiches Geschäft für den Anwalt, denn die Arbeit machen die Jobcenter-Mitarbeiter.

Beliebt sind zudem Untätigkeitsklagen unter Juristen, die bereits einen Tag nach Fristablauf vom Anwalt erhoben werden können. Da viele Jobcenter die Flut an Widersprüchen nur noch mit Zeitverzögerung bearbeiten können, ist die Zahl der Untätigkeitsklagen entsprechend hoch. Rechtsanwälte können wegen Untätigkeit Gebühren zwischen 50 und 550 Euro geltend machen. Der Mandant selbst profitiert davon jedoch kaum. (ag)

Bild: Tim Reckmann / pixelio.de

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