Amt verweigert Schwerstbehinderten Grundsicherung

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Wie Schwerstbehinderten die Grundsicherung entzogen wird

18.06.2013

Ferdinand Schießl leidet an Kinderlähmung und ist aufgrund seiner schweren Behinderung fast rund um die Uhr auf Hilfe angewiesen. Der 56-Jährige sprach mit der "Süddeutschen" über den Kampf gegen die Behörden, den es eigentlich gar nicht geben dürfte. Denn das, wofür Schießl kämpft, ist nichts anderes als das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben.

Arbeitgeber-Modell ermöglich ein Leben Zuhause
Schießl muss aufgrund seiner Schwerstbehinderung 24 Stunden täglich von einem Pfleger betreut werden. Dass dafür hohe Kosten anfallen, kann sich jeder vorstellen. Unvorstellbar dagegen ist die Tatsache, dass ihm die Stadt München die Grundsicherung gestrichen hat.

Hintergrund dieser Ungeheuerlichkeit ist eine Verfahrensweise mit zweckgebunden Rücklagen, die im Rahmen des sogenannten Arbeitergeber-Modells für die Pflege gebildet werden dürfen. Das Modell ermöglicht pflegebedürftigen Menschen, außerhalb von Heimen in ihrer eigenen Wohnung zu leben. Dabei tritt der Pflegebedürftige als Arbeitgeber auf, indem er seine Pflegekräfte als Assistenten anstellt. Das Modell wird von den Krankenkassen und Kommunen finanziert. Darüber hinaus erhalten die pflegebedürftigen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts eine Grundsicherung von der Kommune, die ihrerseits streng darauf achtet, dass die Betroffenen kein Vermögen anhäufen. So darf Schießl maximal 2.600 Euro auf seinem Girokonto ansparen. Aber genau diese Regelung wurde ihm zum Verhängnis, da er seinen Rechtsanspruch auf die Finanzierung des Assistenten über ein persönliches Budget geltend machte. Er handelte mit der Krankenkasse einen Budgetvertrag aus, so dass er monatlich einen festen Betrag erhält, mit dem er seine Pflege finanzieren kann. Der Großteil des Betrages stammt von der Krankenkasse, der Rest wird von der Stadt getragen. Da Schießl mit der Krankenkasse vereinbart hat, zweckgebundene Rücklagen bilden zu dürfen, die er erst am Ende der Budget-Laufzeit ausgegeben haben muss, entstand ein Guthaben auf seinem Girokonto, dass den Betrag von 2.600 Euro deutlich übersteigt. „Damit kann ich Ausfälle wie Krankheit oder Urlaub auffangen", erläuterte Schießl gegenüber der Süddeutschen.

Lebensunterhalt von unzähligen Pflegebedürftigen gefährdet
Doch die Stadt wertete die zweckgebundenen Rücklagen als Vermögen und gab seinem Antrag auf Weiterbewilligung der Grundsicherung nicht statt. Die finanzielle Situation des Mannes spitzt sich immer weiter zu, denn die zweckgebundenen Rücklagen darf er laut Vertrag mit der Krankenkasse ausschließlich für seine Pflege verwenden und keinesfalls, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. „Wegen bundesrechtlicher Vorgaben" seien der Stadt die Hände gebunden, hieß es in einer Presserklärung. „Nachdem selbstverständlich auch der Oberbürgermeister und die Sozialreferentin dieses Ergebnis unbefriedigend finden, wird sich Herr Oberbürgermeister Ude an den Deutschen Städtetag wenden, um über diesen eine Änderung der zugrunde liegenden gesetzlichen Vorgaben zu erreichen." Auf Anfrage des Blattes teilte die Stadt München mit, dass "den Ermittlungen des Amtes für Soziale Sicherung zufolge" Schießl über ein frei verfügbares Vermögen verfüge, das "für eine angemessene Lebensführung" ausreiche. Eine Ungeheuerlichkeit!

Als letzter Ausweg bleibt nur der Rechtsweg, den Schießl aus eigener Tasche beschreiten muss. Selbst die Vorlage „aller Arbeitsverträge mit Angabe der Vergütung" konnte in den Fall bisher nichts bewirken. Um seine aktuelle Notlage zu überbrücken, habe ihm ein Freund ein Darlehen gewährt, sagte Schießl. Den 56-Jährigen belastet die Situation sehr. Und dabei ist Schießl keineswegs eine Ausnahme. Sollte sich dieses Vorgehen der Sozialämter durchsetzen, sind unzählige pflegebedürftiger Menschen betroffen. (ag)

Bild: Uta Herbert / pixelio.de

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