Widerspruch gegen den Bürgergeld-Bescheid

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Jobcenter machen immer wieder Fehler. Diese gehen in den meisten Fällen zu Lasten der Bürgergeld-Bezieher, die ohnehin schon am Existenzminimum leben. Solche Fehler müssen Leistungsempfangende nicht hinnehmen, denn gegen jeden Bescheid können Betroffene Widerspruch einlegen.

Widerspruch: Das Wichtigste in Kürze

Sie können gegen jeden Bescheid vom Jobcenter oder einer anderen Behörde einen Widerspruch einlegen, wenn der Bescheid Ihrer Ansicht nach fehlerhaft ist. Folgende Aspekte spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle:

  • Bei Bescheiden vom Jobcenter handelt es sich in der Regel um Verwaltungsakte.
  • Gegen Verwaltungsakte kann innerhalb eines Monats Widerspruch eingelegt werden.
  • Als Stichtag zählt der Tag der Zustellung.
  • Laut § 122 Absatz 2 AO gilt ein Bescheid am dritten Tag nach der Aufgabe des Jobcenters zur Post als zugestellt.
  • Enthält der Verwaltungsakt keine Rechtsbelehrung, verlängert sich die Widerspruchsfrist auf 12 Monate.
  • Es besteht keine Pflicht, den Widerspruch zu begründen. Eine stichhaltige Begründung kann jedoch die Erfolgsaussichten verbessern.

Allgemeiner Ablauf beim Widerspruch gegen Bescheide

Die Entscheidung über Anträge auf Bürgergeld-Leistungen erfolgt gemäß dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) üblicherweise durch einen schriftlichen Verwaltungsakt, der den Beteiligten per Post zugestellt oder elektronisch übermittelt wird.

In dem Bescheid klärt der Leistungsträger den Leistungsempfänger über wichtige Details wie Bewilligungszeitraum und Höhe der Leistungen auf. Anhand der beigefügten Berechnungsbögen können Antragstellende nachvollziehen, auf welcher Grundlage die Leistungen berechnet wurden.

Sollte der Bescheid Unstimmigkeiten aufweisen oder in irgendeiner Weise nicht akzeptabel sein, steht dem Empfänger das Recht zu, innerhalb eines Monats nach Erhalt des Bescheids Widerspruch einzulegen. Der Widerspruch eröffnet Leistungsempfangenden die Möglichkeit, die Entscheidung der Behörde anzufechten.

Dies kann schriftlich, elektronisch oder persönlich bei der ausstellenden Behörde geschehen. Die im Bescheid enthaltene Rechtsbehelfsbelehrung gibt Auskunft über das korrekte Vorgehen und die Fristen.

In dem Anschreiben können Sie Gründe nennen, warum Sie den Bescheid für fehlerhaft halten. Es ist jedoch nicht zwingend erforderlich, den Widerspruch im Detail zu begründen.

Die Behörde prüft in einem ersten Schritt die Zulässigkeit des Widerspruchs, insbesondere hinsichtlich der Einhaltung der Frist. Anschließend erfolgt eine Überprüfung des ursprünglichen Bescheids auf Rechtmäßigkeit und Angemessenheit.

Kommt das Jobcenter zu dem Schluss, dass der Widerspruch gerechtfertigt ist, wird ein korrigierter Bescheid erlassen. Andernfalls wird den Antragstellenden ein Widerspruchsbescheid mit Hinweisen zu weiteren rechtlichen Schritten, einschließlich der Möglichkeit einer Klage bei der Sozialgerichtsbarkeit, zugestellt.

Gegen welche Bescheide kann Widerspruch eingelegt werden?

Der Widerspruch stellt die erste Möglichkeit dar, gegen einen fehlerhaften Bürgergeld-Bescheid vorzugehen. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich bei dem Bescheid um einen Verwaltungsakt handelt. Hierzu muss der Bescheid eine Regelung oder Entscheidung enthalten, die eine direkte Auswirkung auf Sie als Bürgergeld-Berechtigten hat. Dies ist beispielsweise bei folgenden Arten von Bescheiden der Fall:

  • Bewilligungsbescheid
  • vorläufige Bewilligungsbescheide
  • Aufhebungs- und Erstattungsbescheide
  • Eingliederungsvereinbarungen
  • Sanktionsbescheid
  • Ablehnungsbescheide
  • Änderungsbescheide

Widerspruchsfrist beachten!

Folgende Punkte müssen Sie bei einem Widerspruch berücksichtigen:

  • Aus der Rechtsbehelfsbelehrung, welche sich am Ende des Bescheides befindet, ergibt sich die Widerspruchsfrist. Diese beträgt einen Monat ab dem Tag, an dem Sie den Bescheid erhalten.
  • Grundsätzlich gilt gemäß § 122 Absatz 2 AO ein Bescheid am dritten Tag nach der Aufgabe des Jobcenters zur Post als zugestellt.

Es ist daher wichtig, dass Sie sich den tatsächlichen Zustellungstag notieren. So können Sie in jedem Fall nachweisen, dass Sie den Bescheid zu einem späteren Zeitpunkt erhalten haben. Enthält der Bescheid keine Rechtsbehelfsbelehrung, haben Bürgergeld-Beziehende sogar zwölf Monate Zeit Widerspruch einzulegen. Dies ergibt sich aus § 58 VwGO. Dort heißt es:

„Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig,…“

Frist berechnen

Die Frist beginnt ab dem Tag zu laufen, an dem Sie den Bescheid erhalten haben.

Beispiel: Ihr Bescheid ist ausgestellt auf das Datum 10.01.2024. Dieser gilt dann gemäß der gesetzlichen Regelung am 13.01.2024 als zugestellt. Die Frist für den Widerspruch beginnt dann am 14.01.2024. Fristende für den Widerspruch wäre dann der 14.02.2024. An diesem Tag muss der Widerspruch spätestens beim Jobcenter eingehen.

Fällt das Fristende auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, dann verschiebt sich die Frist auf den nächsten Werktag.

Häufige Fehlerquellen bei Bürgergeld-Bescheiden

Häufige Fehlerquellen bei der Berechnung von Bürgergeld-Bescheiden umfassen beispielsweise:

  • die Nichtberücksichtigung der Kfz-Haftpflicht,
  • falsche Anrechnung von Einkommen und Freibeträgen,
  • fehlerhafte Anrechnung von Darlehenszinsen,
  • unvollständige Übernahme der Kosten für Unterkunft,
  • Nichtanerkennung von Mehrbedarfen,
  • falsche Rechtsgrundlagen bei Rückforderungsbescheiden,
  • fehlerhafte Aufhebungs- und Erstattungsbescheide,
  • formal falsche Bescheide.

Solche Fehler können die Höhe der Leistungen erheblich beeinflussen und sollten bei Erhalt eines Bescheids genau überprüft werden. Ein Widerspruch ist in diesen Fällen das beste Mittel, um eine Überprüfung der Bescheide einzuleiten.

Widerspruch richtig einlegen

Wenn Sie Widerspruch gegen Ihren Bürgergeld-Bescheid einlegen möchten, müssen Sie diesen schriftlich an das Jobcenter schicken oder diesen dort abgeben. Wichtig ist hierbei, dass Sie den Widerspruch an das für Sie zuständige Jobcenter schicken.

Der Widerspruch muss zudem Angaben darüber enthalten, warum Sie davon ausgehen, dass der Bescheid fehlerhaft ist. Einen Zwang zur Begründung gibt es zwar nicht, ohne eine Begründung wird das Jobcenter Ihren Widerspruch jedoch wahrscheinlich ablehnen.

Frist versäumt?

Haben Sie die Widerspruchsfrist versäumt, dann wird Ihr SGB II-Bescheid rechtskräftig. Da ein Fehler in einem Bescheid aber schlimme finanzielle Folgen nach sich ziehen kann, können Sie gemäß § 44 SGB X einen Überprüfungsantrag stellen.

Nähere Informationen hierzu erhalten Sie in unserem Ratgeber „Überprüfungsantrag: Bürgergeld-Bescheide überprüfen“.

Ablauf des Widerspruchsverfahrens

Nachdem Sie Widerspruch eingelegt haben, überprüft das Jobcenter Ihren Bescheid erneut. Dabei sind folgende Punkte zu beachten:

  • Bei Geltendmachung von Mehrbedarfen die erforderlichen Nachweise einreichen.
  • Beim Einreichen von Unterlagen eine Bestätigung vom Jobcenter geben lassen.

Aufhebungs- und Erstattungsbescheide

Während des Widerspruchsverfahrens bleibt die ursprüngliche Entscheidung des Jobcenters bestehen. Eine Ausnahme stellt der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid dar.

Sobald widersprochen wurde, muss zunächst nichts zurückgezahlt werden und das Verfahren wird abgewartet. Je nach Ausgang des Verfahrens kann es sein, dass entweder keine Rückzahlungspflicht besteht oder eine Zahlungsaufforderung ausgestellt wird.

Dauer des Widerspruchverfahrens

Wann das Jobcenter über Ihren Widerspruch entscheidet, ist von Jobcenter zu Jobcenter unterschiedlich. In den meisten Fällen erhalten sie jedoch innerhalb von drei bis fünf Wochen eine Entscheidung in Form eines Widerspruchsbescheides.

Hat das Jobcenter nicht innerhalb von drei Monaten über Ihren Widerspruch entschieden, haben Sie gemäß § 88 Absatz 2 SGG die Möglichkeit eine Untätigkeitsklage zu erheben. Wie Sie eine Untätigkeitsklage erheben, erfahren Sie in unserem Ratgeber „Untätigkeitsklage gegen das Jobcenter erheben“.

Widerspruch Mustervorlage

Ein gut strukturiertes und begründetes Widerspruchsschreiben ist entscheidend, um Ihre Rechte durchzusetzen. Ein Widerspruch sollte folgende Elemente enthalten:

  • Kopfzeile: Geben Sie Ihre vollständige Adresse und die Adresse des Jobcenters oder der zuständigen Behörde an, die den Bescheid ausgestellt hat.
  • Datum und Betreff: Das Datum, an dem der Widerspruch verfasst wurde, und ein präziser Betreff, der das Wort “Widerspruch” sowie die Bescheidnummer und das Datum des Bescheids enthält.
  • Einleitung: Eine kurze Einleitung, in der Sie Ihren Widerspruch gegen den spezifischen Bürgergeld-Bescheid ankündigen.
  • Begründung: Sie sollten ausführlich begründen, warum Sie den Bescheid für fehlerhaft halten. Beziehen Sie sich auf konkrete Punkte des Bescheids und erläutern Sie, welche Aspekte Ihrer Meinung nach einer Überprüfung bedürfen. Dieser Teil ist keine Pflicht, erhöht aber die Chance auf Erfolg.
  • Forderung: Stellen Sie eine höfliche aber klare Forderung, den Bescheid zu überprüfen und entsprechend zu korrigieren.
  • Anlagen: Eine Auflistung der Dokumente, die Sie Ihrem Schreiben als Beweismittel beifügen.
  • Abschluss: Mit freundlichen Grüßen gefolgt von Ihrer Unterschrift und Ihrem vollständigen Namen.

Widerspruch abgelehnt – Was tun?

Lehnt das Jobcenter Ihren Widerspruch ab, dann können Sie gegen diesen Widerspruchsbescheid vorgehen, indem Sie Klage vor dem Sozialgericht einreichen. Im Klageverfahren prüft das Gericht dann die von Ihnen geltend gemachten Fehler. Sollten Ihnen noch weitere Fehler in Ihrem Bescheid auffallen, dann können Sie diese auch im Klageweg überprüfen lassen.

Kosten

Als Leistungsberechtigter können Sie entweder selbst Widerspruch einlegen oder einen Anwalt beauftragen. Die Kosten für den Anwalt können über die Beratungshilfe abgerechnet werden, sodass keine Kosten für Sie entstehen. Kommt es zur Klage, werden die anfallenden Kosten durch die Prozesskostenhilfe gedeckt.

Beratungshilfe beantragen

Über die Beratungshilfe haben Sie die Möglichkeit, außergerichtliche Rechtsberatung durch einen Rechtsanwalt zu erhalten. Die Beratungshilfe findet Anwendung auf alle Angelegenheiten rund um das Jobcenter und Bürgergeld (Sozialrecht) sowie im Verwaltungsrecht, Arbeitsrecht, Strafrecht und Zivilrecht.

Gewährt wird die Beratungshilfe jedem, der die Kosten für eine anwaltliche Beratung nicht aufbringen kann. Da es für Leistungsberechtigte nicht möglich ist, einen Rechtsanwalt selbst zu bezahlen, steht diese Sozialleistung jedem Jobcenter-Betroffenen in Deutschland zur Seite.

Zu beachten ist, dass es in Bremen und Hamburg keine Beratungshilfe gibt, die Rechtsberatungs- und Vergleichsstellen (ÖRA) übernehmen dort diese Aufgabe.

Die Beratungshilfe müssen Sie beim Amtsgericht am eigenen Wohnsitz beantragen. In den meisten Fällen übernimmt das jedoch der Anwalt für Sie.

Es muss bei Antragstellung das rechtliche Problem dargestellt werden und durch Kontoauszüge die eigene wirtschaftliche Situation bewiesen werden. Zudem muss aus dem Antrag hervorgehen, warum die Beauftragung eines Anwalts notwendig ist.

Weitere Informationen hierzu erhalten Sie in unserem Ratgeber „Beratungsschein für kostenlose Rechtsberatung beantragen“.

Prozesskostenhilfe beantragen

Durch die Prozesskostenhilfe wird dem Leistungsberechtigten ermöglicht auch ohne Einkommen einen Rechtsstreit zu führen und sich von einem Anwalt vertreten zu lassen. Dies ist nötig, wenn das Jobcenter die im Bescheid vorliegenden Fehler nicht korrigiert und somit der Widerspruch zurückgewiesen wird. Im Gegensatz zur Beratungshilfe, die nur im Widerspruchsverfahren beantragt werden kann, wird die Prozesskostenhilfe für das Gerichtsverfahren beantragt.

Der Antrag wird beim zuständigen Gericht eingereicht. Bereits bei Beantragung bewertet der Richter durch eine vorläufige Prüfung die Erfolgsaussichten des Rechtsstreits.

Sind die Erfolgsaussichten zu gering, wird dem Antrag auf Prozesskostenhilfe nicht stattgegeben. Liegt eine Wahrscheinlichkeit vor den Prozess zu gewinnen, wird die Prozesskostenhilfe bewilligt.

Dem Leistungsberechtigten darf außerdem keine Möglichkeit bestehen, billigere Rechtsschutzmöglichkeiten, wie zum Beispiel eine Rechtsschutzversicherung, in Anspruch zu nehmen. Weiterhin werden auch hier mit Hilfe von Nachweisen und Belegen (Kontoauszüge) die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse des Leistungsberechtigten überprüft.

Zu beachten ist, dass das Gericht innerhalb von vier Jahren die bewilligte Prozesskostenhilfe zurückverlangen kann, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich ändern.

Folglich kann das Gericht über einen Zeitraum von vier Jahren nach der Entscheidung Auskunft über die Einkommensverhältnisse des Leistungsberechtigten verlangen.

Quelle:

Abgabenordnung (AO)

Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)

Zehntes Sozialgesetzbuch (SGB X)

Sozialgerichtsgesetz (SGG)