Hartz IV: verdi Erwerbslose und der 3.Arbeitsmarkt

Lesedauer 7 Minuten

ver.di Erwerbslose und der 3.Arbeitsmarkt. Erwerbslose werden überrollt – Der Streit muss weitergehen!
Ein Leserbeitrag* von Anna Fleischer

Frage des Tages: „Woher kommt der ver.di Mann und wo will er politisch hin?
Leiter des Referats für Arbeitslose beim ver.di-Bundesvorstand, Bernhard J.

Großangriff auf Erwerbslose durch die neuen SGB – Bundesgesetze
Innerhalb der Gewerkschaft haben Erwerbslose nicht die gleichen Mitgliederrechte wie Beschäftigte und das wirkt sich auch im Umgang ihrer Entscheidungen aus Schön länger werden Stimmen danach laut, Erwerblose in die DGB Satzung aufzunehmen*. Doch gerade beim ver.di Bundeskongress (30.09.-06.10.2007) soll die Personengruppe Erwerbslosen die Verantwortung für eine Richtungsentscheidung der Gewerkschaft übernehmen, in dem sie in einem Antrag zur Einführung des 3. Arbeitsmarkt über die öffentlich geförderte Beschäftigung fordern. Dass es dabei nicht mit rechten Dingen zugegangen sein kann, muss einem schon der gesunde Menschenverstand sagen.

Teil I
Vorspann der Geschichte
Bereits in der ver.di Publik Ausgabe 06-07/07 war Befremdliches zu lesen. Unter dem Slogan „Mit Chic zur Arbeit“ wurde fast wie im Hochglanzstil für den großen Beschäftigungsträger Werkstatt Frankfurt geworben. Mit einem schier unglaublichem Selbstverständnis über die Güte des Projekts „Affentor“ beschreibt die Journalistin, was sich für einen ordentlichen ALG-Empfänger gehört. Darin heißt es zum Bsp.: „Dass die Manufaktur Affentor zur gemeinnützigen Werkstatt Frankfurt e.V. gehört, bleibt dem neuen Besitzer verborgen. – Die Affentor-Manufaktur und auch unsere anderen Betriebe sind mittlerweile hochmoderne Dienstleistungsbetriebe mit viel Flexibilität. – Von der Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden können die Teilnehmer und Teilnehmerinnen bis zu acht Stunden in den Lerngruppen nutzen. – Doch Bummeln gilt nicht: Die Leistungsanforderungen sind klar vorgegeben und eine Unterschreitung wird sanktioniert. – Wer sich in die Qualifizierung reinkniet, erarbeitet sich nicht nur neue Zukunftsperspektiven auf dem Arbeitsmarkt, sondern kann damit seine sonst befristete Arbeitsmöglichkeit bis auf drei Jahre erhalten. – Bei den Prüfungen nach der ersten einjährigen Ausbildungsstufe fielen relativ viele Teilnehmer durch. – Die "Werkstatt" organisiert sinnvolle, im öffentlichen Interesse liegende Arbeitsgelegenheiten bei Ämtern der Stadt Frankfurt, Städtischen Eigenbetrieben, Vereinen und gemeinnützigen Organisationen. Rund 1500 Menschen sind in den Betrieben der "Werkstatt Frankfurt e.V." beschäftigt“.

Eine nicht unbedeutende Frage dazu lautet: Wer hatte den Artikel in Auftrag gegeben und wer hat für die Veröffentlichung der Seiten bezahlt?

Denn seit längerer Zeit hat die Werkstatt Franfurt mit ver.di Vertrauensleuten Zoff. Betriebsräte der Werkstatt Ffm versuchen sich für Rechte von Ein-Euro-Jobbern einzusetzen und sind dabei in knallharte Schusslinien geraten. Sie stehen massivem Mobbing gegenüber; zahlreiche Arbeitsgerichtsprozesse liegen hinter und einige noch vor ihnen. Die Gruppe ließ sich dennoch nicht Abschrecken und nun wurde gegen einzelne Kollegen ein Strafverfahren wegen Arbeitszeitbetrug und Bildung einer kriminellen Gruppe eingeleitet. Anscheinend versucht man den Weg einer Verdachtskündigung zu gehen.

War der Publik Artikel der erste Auftakt einer sich in die Gewerkschaftsarbeit einschleichenden Werbekampagne für Beschäftigungsgesellschaften, die vielleicht auch noch aus Mitgliedsbeiträgen gesponsert wurde? Anfragen aus den Mitgliederreihen wären sicherlich sinnvoll.

Aktuelles Geschehen
Aber das nun beim ver.di Bundeskongress die Forderung nach einem 3. Arbeitsmarkt im Namen der Mehrheit der Erwerbslosen kommen soll, übertrifft die Werbung für den Beschäftigungsträger Werkstatt Frankfurt.
Was ist passiert?

Die Inhalte und Auswirkungen der neuen Gesetze zum „3. Arbeitsmarkt“ gehen an der breiten Öffentlichkeit weitgehend lautlos vorbei. So auch bei zahlreichen Erwerbslosen. Auch die Verwalter der Erwerbslosen in ver.di sahen anscheinend keinen Anlass Informationen an die Basis zu geben. Zumindest kam in vielen Gruppen nichts an. Vor diesem Hintergrund fand Ende Februar der Bundeserwerbslosenkongress (BEK) in Berlin statt. Die für die Antragseingaben maßgeblichen Landesbezirkskonferenzen waren kurzfristig vorgezogen worden und das Chaos nahm seinen Lauf.
Der Bundeskongress der Erwerbslosen an sich war von einer Konzeptlosigkeit hinsichtlich zukünftiger Erwerbslosenpolitik seitens der Veranstalter geprägt. Organisatorische Mängel als wohl auch taktische Taschenspielertricks begleiteten die Tagung. Das kaum bekannte wie brisante Thema 3. AM fand nur am Rande Erwähnung. Wie es schien, hatte man die Interessen der Erwerbslosen nicht mehr im Sinn. Ein Gast der BEK schrieb z.B.:

– Dass vielen nicht klar war und ist, dass sie beobachtet werden und keineswegs alle unsere Personengruppe halten wollen.
– Dass vielen nicht klar war, dass unsere Personengruppe in ver.di auf dem Spiel stand.
– Ein Verfahren vor der Kontroll- und Beschwerdekommission ist da nicht hilfreich, wird aber eh scheitern.

So manch Delegierte/r, den danach das Bauchweh plagte, forderte das Kongressprotokoll an. Im Protokoll wären Antrags- und Wahlprotokolle enthalten gewesen. Der Leiter des Referats Arbeitslose beim ver.di-Bundesvorstand gibt jedoch bis heute kein Protokoll heraus. Damit aber wird den Bundesdelegierten das Recht einer Kontrolle und ggf. für Beschwerden zu den Abstimmungsergebnissen und Antragsänderungen entzogen.

Zurück zur BEK: Den 72 Delegierten wurde ein Antrag mit dem wohlklingenden Namen „Arbeitsplätze statt Workfare! 7,50 € statt 1 € Jobs – Existenzsichernde Beschäftigung statt Sozialrechtsjobs“ mit der Forderung nach Öffentlich geförderter Beschäftigung vorgelegt. Der Antrag erzeugte Widerstände und wurde von 2/3 der Teilnehmenden zur Umarbeitung an den Bundeserwerbslosenausschuss zurückverwiesen. Da zu dem Zeitpunkt schon jedem klar war, dass die vielen B-Anträge aus zeitlichen Gründen von den Delegierten nicht mehr abgestimmt werden könnten, folgte man der Empfehlung der Antragskommission, diesen "zurück an den Bundeserwerbslosenausschuss“. Die ablehnende Position der Mehrheit gegenüber der so genannten öffentlichen Beschäftigung; sprich 3. Arbeitsmarkt, war deutlich. Trotz einer fehlenden inhaltlichen Diskussion im Vorfeld wie auf der Konferenz.

So kommt der beim ver.di Bundeskongress in Leipzig vorgelegte Antrag aus den obersten Rängen der managenden Erwerbslosenvertreter. Man hatte den zurückgewiesenen Antrag geändert, das sagt schon der Titel: Existenzsichernde Arbeit und öffentlich geförderte Beschäftigung statt Workfare! Als Forderung steht nun die Öffentlich geförderte Beschäftigung; auf 7,50 € Mindestlohn wird schwammig in einer Art Empfehlung hingewiesen.
Getreu dem Motto, machen wir uns lieber gleich selbst zum Affen. Über die Hintergründe, wie ein solches Antragspapier an den Interessen der Delegierten der 2. Bundeserwerbslosenkonferenz (21.-23.02.2007) vorbei, überhaupt bis zum Bundeskongress vordringen konnte, wird noch spekuliert.

Mit dem Antrag, der eine neoliberale Handschrift träft. stellt wohl eine kleinere Interessengruppierung nicht nur die gewerkschaftliche Erwerbslosenarbeit als Nonsens hin, sondern verhöhnt darüber hinaus die harte Lage aller Arbeitslosen und die Arbeit aller Aktivisten in unserem Land. Nun wird Anfang Oktober der Bundeskongress die neue ver.di Richtung weisen. Welche Kräfte sich dort durchsetzen werden, ob neoliberal oder sozial, ist zurzeit noch völlig ungewiss. Wenn aber alles so läuft, wie es die Planer planten, hat man die Gewerkschaft beim Umbau des Arbeitsmarktes in der Tasche. Fast Zeitgleich wie der ver.di Bundeskongress tagt, wurde auf dem SGB II Bundeskongress der BA am 1.-2.10.2007 das neue Arbeitsmarktkonzept vorgestellt.

Teil II
„DER DRITTE ARBEITSMARKT trifft nicht allein die Erwerbslosen in hohem Maße, vielmehr stellt er wohl den bislang größten Angriff auf die Beschäftigten in Mittel- bis Niedriglohngruppen dar“.

„Gibt es Spalter in der Gewerkschaft?“
So könnte die Frage lauten

Ver.di Position scheint die Einführung von Kombi-Löhnen und einem 4,50 € Mindestlohn nicht zu sein.
Dies aber bringt der 3. Arbeitsmarkt mich sich.
Der Angriff scheint von unterer Ebene her zu kommen. Bereits im Januar 07 hatte der Bundesvorstand im Namen von Frank Bsirske eine klare Position zum Bofinger Konzept deutlich gemacht. Man hat sich gegen Kombi-Löhne so wie gegen die von der AG Arbeitsmarkt anvisierte 4,50 € Mindestlohnforderung ausgesprochen. Und nun sollen sich ausgerechnet die Erwerbslosen in ver.di gegen die Position des Bundesvorstandes stellen?

3. Arbeitsmarkt
Noch dieses Jahr sollen Gesetze der Arbeitsmarktreform auf der Vorlage eines Gutachtens der „AG Arbeitsmarkt“ (Leitung: Franz Müntefering) verabschiedet werden. Hierbei kann der 3. AM als Kernstück angesehen werden. Laut Gutachten ist die Einführung eines flächendeckenden, undifferenzierten Mindestlohns in Höhe von ca. 4,50 Euro vorgesehen, der an tarifliche bzw. ortsübliche Bezahlung angepasst würde. Dieser Mindestlohn orientiert sich in der Höhe am abgabenfreien Grundeinkommen bei Vollzeitbeschäftigung. (Alleinstehende) Vollzeitbeschäftigte erhalten demnach ab Wochenarbeitszeiten von 38 Stunden mindestens das Grundeinkommen von 750 Euro. Laut Kölner Stadtanzeiger vom 20.02.07 verbinde der Entwurf die Forderung der Union nach Kombilöhnen mit Vorstellungen der SPD zur Einführung eines Mindestlohns, hieß es aus Koalitionskreisen.
Auf politischer Ebene wird die „Umstrukturierung des Arbeitsmarktes“ über verschiedene Teilprojekte und Titelungen wie „3. AM, Sozialer AM, Ehrlicher AM, Bürgerarbeit, Kommunal-Kombi, Job-Perspektive u.a.“ injiziert. Die damit gekoppelten unterschiedlichen Deklarationen der Projekte und Modellversuche, die zu einem Gesamtkonzept gehören, machen die Einschätzung der Gesamtauswirkungen sehr schwierig.

Kay Senius von der BA erklärte, dass mit der Öffentlich geförderte Beschäftigung 100.000-150.000 Menschen erreicht werden könnten. Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge bezieht sich hingegen bereits in einem Positionspapier vom 07.03.2007* auf den Aspekt, „dass sich deren Vorschläge zunächst auf diese Testphase beziehen, nicht auf eine später mögliche flächendeckenden Umsetzung“. Solche Aussagen einer später möglichen flächendeckenden Umsetzung der Pilotphase sollten uns z.B. hellhörig machen. Auch in den vielen offiziellen Papieren rund um den 3. AM finden sich ähnlich gravierende Aussagen.

Modellprojekt „Bürgerarbeit Sachsen-Anhalt“
Haseloff und das Bomba-Projekt
Das Konzept der AG Arbeitsmarkt lässt erkennen, dass es mit dem EU Förderprogramm 2007-2013 „Projektideen für Kommunen“ einhergeht. Das EU Förderprogramm bietet u.a. den finanziellen Handlungsspielraum zur Umstrukturierung des Arbeitsmarktes von unten, über die Erwerbslosenproblematik. Für die arbeitsmarktlichen Zielgruppen „Langzeitarbeitslose, Jugendliche, Frauen“ sind als Hauptadressat Bildungsträger (Jugendwerkstätten, Pro-Aktiv-Centren) / Unternehmen / Kommunen benannt.
Da dieses milliardenschwere EU Förderprogramm bereits seit 01/07 angelaufen ist, kann davon ausgegangen werden, dass weite Teile des Konzepts umgesetzt werden und es sich dahingehend nur noch um eine Formsache der Beschlussfassung zur Gesetzesänderung in der BRD handelt. Bis zum Inkrafttreten der Gesetzgebung dürften die für neue Projekte vorgesehenen Fördermittel wahrscheinlich nicht in Anspruch genommen werden. Die rechtlich ungesicherte Zone, in der ein Programm angelaufen ist, aber hierzu noch keine Gesetze vorliegen, kann mit einem Trick durch betreiben von einzelner Modelle umgangen werden. Über Modellprojekte kann z.B. ein Sachzwang zur Einführung gesetzlicher Bestimmungen suggeriert werden, obgleich es sich wie im angenommenen Fall um eine nachträgliche Legitimierung des Einsatzes von Fördermitteln handeln würde.
Siehe Konzept für ein Modellprojekt „Bürgerarbeit mit Mindestlohn“ (Seite 4)

Dr. Reiner Haseloff benennt sich als Erfinder der Bürgerarbeit. Er war ehemaliger Chef der Wittenberger Agentur für Arbeit und späterer Staatssekretär im sachsen-anhaltinischen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit. Avancierte nach der letzten Landtagswahl der großen Koalition zum Wirtschaftsminister des Landes. Rainer Bomba setzt das Haseloff Modell um.

Nach Anfrage vom DGB bei der Landesregierung von Sachsen-Anhalt hinsichtlich der von Haseloff beantragten Förderungssumme zum Bürgerarbeitmodell, zu dem der Betrag von 50 Mill. € aus dem Landesaushalt 2008-2009 kursierte, wurde seitens des Finanzministeriums erklärt: Haseloff will ja nicht, dass wir 7,50 € Mindestlohn zahlen – sondern er will seinen Mindestlohn von 4,95 € durchsetzen. Er hat nur 10 Mill. € beantragt. In dem Kontext lässt sich der im Februar 07 von Bundesarbeitsminister Müntefering gewagte Vorstoß für einen Mindestlohn von zunächst 5 € netto pro Stunde besser verstehen. Hierbei sollen nach Informationen des Kölner Stadt-Anzeigers die Finanzämter künftig niedrige Arbeitseinkommen durch eine abgestufte Übernahme der Sozialabgaben bezuschussen. Bei 5 €/Std. würden 100 Prozent der Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung vom Staat gezahlt.

„Laborversuche der Bundesagentur — Die Experimente von Rainer Bomba in Sachsen-Anhalt und anderswo zerstören das Vertrauen in eine soziale Arbeitsbehörde“
heißt ein Beitrag von Helga Spindler. Darin ist u.a. zu lesen:
"Bomba ist nach einer Kurzbiographie des MDR Diplom Ingenieur und Diplom Kaufmann und 1998 mit 34 Jahren als Quereinsteiger aus der Privatwirtschaft in die BA gekommen, wo er als aktiver Vertreter der Hartz-Reform schnell aufgestiegen ist. Vorher soll er als Vorstandsassistent bei Möbel Walther und Neckermann gearbeitet haben. Schon im Jahr 2000 wies eine Broschüre der Bertelsmann Stiftung zum Netzwerk „Initiative für Beschäftigung“ Bomba als Mitglied des Landesarbeitsamtes Hessen und Ansprechpartner für das Projekt „Beschäftigungsmotor Zeitarbeit“ aus. In diesem Projekt in Kooperation mit den Firmen Manpower, Randstad, Dekra Arbeit und dem Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft sollten mit öffentlicher Förderung 500 Langzeitarbeitslose in Unternehmen vermittelt werden, wobei man nichts darüber erfährt, zu welchen Bedingungen das erfolgen sollte. Wohl aber über die weiteren Ziele des Projekts: für die Zeitarbeitsfirmen sollten nicht nur geschäftliche Vorteile, sondern auch gesellschaftliches Engagement und „legitimer Imagegewinn“ herausspringen. Bomba gehörte zu den (ganz wenigen, handverlesenen) Funk

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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