Hartz IV: Bericht von der Mahnwache für Sascha K.

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In Ludwigshafen fand eine Kundgebung für den in Speyer verhungerten Jugendlichen und seiner fast verhungerten Mutter statt.

Am Donnerstag den 26.04.07 um 10.00 Uhr begann bei sommerlichen Temperaturen die Mahnwache zum Tod von Sascha K. – es versammelten sich rund 40 Leute, die in Redebeiträgen (und Gedichten von Kurt Tucholsky und Erich Kästner) die Bürgerinnen und Bürger im Land dazu aufforderten, bei den sozialen Problemen in der Gesellschaft nicht mehr wegzusehen und solidarisch Verantwortung zu tragen. Nach dem Motto "Von Arbeit muß man leben können – ohne Arbeit auch" lautete die zentrale Forderung: Hartz IV muß weg!

Die kommunalen Arbeitsgemeinschaften (ARGE) in der "Metropolregion Rhein-Neckar" und und speziell die GfA Vorderpfalz-Ludwigshafen wurden per Megaphon mehrmals dazu aufgefordert, ihre Menschen verachtende Bestrafungsaktionen (Sanktionen) gegen Hartz IV-Betroffene umgehend einzustellen und die verletzten Menschenrechte im Lande wieder herzustellen.

Die Ludwigshafener Mahnwache wurde dazu genutzt, die dunklen Seiten der Hartz IV Gesetze ans Licht zu bringen. Dazu meldeten sich ALg II-Betroffene persönlich zu Wort, Mitglieder vom Sozialen Netzwerk Deutschland verteilten ein Flugblatt mit Anti-Hartz-Forderungen". Am "Offenen Mikro" meldeten sich spontan Erwerbslose zu Wort, die an diesem Tag bei der GfA Ludwigshafen ihre Alg II-Angelegenheiten zu klären hatten.

Eine der ersten Rednerinnen war eine Stadträtin aus der Schwesterstadt Mannheim: Gudrun Kuch (Linke Liste) prangerte die grassierende Kinderamut in der Region an und betonte, dass seit der Einführung von "Hartz IV" die Suizid- bzw.Sterberate gestiegen ist. Erinnert wurde an den Mannheimer Hans-Jürgen H., der als über 50-Jähriger Behinderter und ehemaliges aktives SPD-Mitglied bereits im ersten Hartz IV-Jahr obdachlos wurde. Er bekam keine Alg II Leistungen und war im Winter 2005 derart körperlich geschwächt, dass er in der Biblothek der Uni-Mannheim an Herzversagen verstarb.

Zur dieser ersten Mahnwache und Kundgebung anlässlich des tragischen Hartz IV-Vorfall in der Bischofsstadt Speyer, hatte kurzfristig der in Ludwigshafen im Jahre 2006 gegründete Verein Soziales Netzwerk Deutschland aufgerufen. Es gab
mehrere Initiativen, die sich spontan angeschlossen haben und gemeinsam mit Plakaten, Flyer, einer Lautsprecher-Anlage, Sonnenschutz-Zelten, Getränken usw.engagierten. Eine spezielle "Mahnstelle" mit Kerze erinnerte an den Hungertod von Sascha K.

Zu Besuch war aber auch ein Baby, das vor einigen Monaten in Ludwigshafen geboren wurde und vor Weihnachten gleich in existenzielle Not geraten ist: Mutter und Vater sollten keinen "Penny" an Alg II-Leistungen erhalten. Darüber sprach Petra Karl
von "Tachels -im Namen des Volkes", die durch massive Protestaktionen (u.a. mit Hilfe der rheinlandpfälzischen Landesregierung) die Ludwigshafener GfA erst einen Tag vor Weihnachten 2006 dazu bewegen konnte, die Auszahlung einer Grundleistungen kurzfristig durchzuführen.

Um 12.00 Uhr läuteten die Glocken einer nahen evangelischen Kirche – es wurden für Sascha K (und seine Mutter) zwei Schweigeminuten eingelegt; alle Anwesenden standen – den Rücken symbolisch zum Hauptgebäude gewendet – vor der GfA Vorderpfalz-Ludwigshafen.

Zwischen 10.00 und 16.00 Uhr – danach fand eine die Kundgebung statt – gab es ein "Kommen und Gehen". Solidarischen Besuch gab es aus den umliegenden Städten. So kam aus Worms eine Anti-Hartz IV-Gruppe, es waren Leute aus Karlsruhe,
Heidelberg, oder Speyer da, und die Mannheimer Montagsdemo "glänzte" mit personeller Unterstützung. Es wurde z.B. eine Grußbotschaft aus Höxter vorgelesen, hier und in weiteren bundesdeutschen Städten fanden zeitgleich ebenfalls spontan organisierte "Hartz IV-Hungertod -Mahnwachen" statt.

Natürlich waren auch die örtlichen Pressevertreter neugierig, und es reiste ein ZDF-Kamerateam an. Übrigens waren es Journalisten, die darüber informierten, dass Sascha K. in dieser Woche "still und heimlich" in Speyer auf dem Friedhof beigesetzt wurde. Selbst in der Tageszeitung wurde darüber nicht berichtet!

Nachmittags wurde eine 30-minütige Trauerrede von Diana H.gehalten, die als Betroffene selbst existenziell in Bedrängnis geraten ist und einige Prozesse bezüglich der Wohnungsmiete vor dem Sozialgericht Mannheim gegen die ARGE Rhein-Neckar erfolgreich geführt hat.

Auf der Kundgebung redete ein Attac-Vertreter, Montagsdemo-Leute aus verschiedenen Städten, Vereinsmitglieder und ein Vertreter vom Mannheimer "Bündnis gegen Abschiebung". Zu Wort kam auch "Die Linke" aus Ludwigshafen. Unter den Zuhörern befanden sich auch Frauen und Männer, die als Betriebsräte und Vertrauensleute in führenden Unternehmen der Rhein-Neckar-Region beschäftigt sind.

Viele Leserinnen und Leser werden am 1. Mai unter der Losung "Du hast mehr verdient. Mehr Respekt. Soziale Gerechtigkeit. Gute Arbeit." auch an Sascha K. denken, dem jungen Mann, der mitten in Deutschland, in einem der reichsten Länder der Erde, dank "Hartz IV" und einer unsozialen Regierungspolitik , zusammen mit seiner Mutter über Wochen und Monate
hungerte – bis er starb. (Bericht von einem Anwesenden, 28.04.07)

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