Hartz IV: Keiner soll frieren?

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Keiner soll frieren? – Aber viele frieren doch schon!

Die Wuppertaler Praxis der Gewährung von Heizkosten bei Bezieher/-innen von Arbeitslosengeld II (Alg II), unterscheidet sich eklatant von den öffentlichen Erklärungen aus der Sozialverwaltung – sagt der Er-werbslosen- und Sozialhilfeverein Tacheles e.V. Ein Sprecher der Stadtverwaltung hatte am Wochenende gegenüber dem WDR erklärt, die Leistungen könnten nach individuellem Bedarf bis zu 25 Prozent angehoben werden. Doch wo sind die Beispiele für die Berücksichtigung des Einzelfalls, fragt der Beratungsverein und setzt seine Umfrage zur Wuppertaler Praxis der Heizkostenerstattung bei Bezieher/ -innen von Sozialleistungen fort.

Im Beratungs- und Umfrageteam von Tacheles verfestigt sich der Eindruck, dass auf dem Amt durch die Bank weg und mit aller Kraft an den starren Höchstsätzen für die Heizkosten festgehalten wird. Mit dem Ergebnis, dass trotz des milden Winterwetters in vielen Wohnungen die Temperaturen un-gemütlich niedrig gehalten werden, um Heizkosten zu sparen. Auch die geringe Erhöhung der Höchstbeträge aufgrund gestiegener Energiepreise ist für Betroffene lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein. Selbst in den zahlreichen Fällen, bei denen während der vergangenen, extrem kalten Heizperiode hohe Energieschulden angefallen waren, wurden regelmäßig nur minimale Beträge durch die ARGE übernommen. Zurück blieben Schulden, deren Tilgung die Betroffenen nun vom sowieso zu niedrigen Regelsatz von 345 EUR durchführen müssen und sie weiter unter das Existenzminimum drückt.

„Die Praxis der Pauschalierung bzw. Deckelung von Heizkosten ist rechtswidrig,“ erklärt Harald Thome, Vorsitzender von Tacheles e.V. „Solange kein unwirtschaftliches Heizverhalten vorliegt, hat die Behörde die Heizkosten in tatsächlicher Höhe zu übernehmen. Dazu zählen die tatsächlichen Abschlagzahlungen für die Heizungen und die Heizkostennachforderung vom Vorjahr.“ Kein Thema ist in der Rechtsprechung der letzten Monate umfassender entschieden worden. Die Sozialgerichte sagen, eine Pauschalierung von Heizkosten beim Alg II sei rechtswidrig und die Behörden hätten in der Regel die Abschlagzahlungen und Nachforderungen zu übernehmen. Die ARGE Wuppertal hält sich aber nicht an diese Recht-sprechung“. Hier erwartet der Verein Tacheles eine Änderung der Verwaltungspraxis der ARGE Wuppertal.

Für eine individuelle Berücksichtigung der Lebens- und Wohnsituation bei der Bemessung von Leistungen fürs Heizen fehlen dem Erwerbslosenverein hier in Wuppertal dagegen konkrete Anhaltspunkte. „Uns ist in der Beratung noch kein einziger Fall bekannt geworden, bei dem die Behörde überhaupt ernsthaft nach möglichen Ursachen für erhöhten Heizenergiebedarf gefragt hat,“ so Thomé.

Der Heizenergiebedarf unterscheidet sich besonders bei Wohnungen im unteren Preissegment so stark, dass er in Form von Pauschalen oder starren Höchstbeträgen nicht adäquat abgegolten werden kann. Dass geht bereits jetzt aus der Umfrage hervor, die Tacheles e.V. zusammen mit anderen Beratungsstellen zum Thema Unterkunfts- und Heizkosten bei Be-zieher/-innen von Sozialleistungen in Wuppertal durchführt. Bei den preisgünstigen Wohnungen für Ein- und Zweipersonenhaushalte liegen die Beträge, die monatlich für Heizkosten anfallen, schon jetzt zwischen 28 und 95 Euro. Dabei sind solche starken Differenzen schnell unter Berück-sichtigung der Haushaltsmitglieder, mit den baulichen Unterschieden der Behausungen und/oder mit der Art und Effizienz der Heizanlage zu erklären.

Die Umfrage zu Unterkunfts- und Heizkosten wurde im Dezember von Tacheles initiiert. Das Projekt wird während der Beratungszeiten durchgeführt und von einem Sozialwissenschaftler begleitet und ausgewertet. Damit soll sicher gestellt werden, dass die Ergebnisse belastbare Erkenntnisse über den Energiebedarf und die Wohnsituation der Zielgruppe bringen. Der Verein bittet Ratsuchende und Leistungsbezieher, die sich an der Umfrage beteiligen wollen, unbedingt ihren Leistungsbescheid, den Mietvertrag und – ganz wichtig – die Heizkostenjahresabrechnung der Stadtwerke (WSW) oder des Vermieters in die Beratung mitzubringen. „Wenn wir die Wohnsituation der Bertoffenen richtig erfassen wollen, müssen wir genau recher-chieren,“ erklärt Thomé, „und dafür brauchen wir alle relevanten Unterlagen.“

Frank Jäger, veröffentlicht am 16.01.07

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