Was ist das Bürgergeld und was war Hartz IV?

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Bürgergeld, früher Hartz IV oder Arbeitslosengeld II (ALG II) ist nach dem zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) die Sicherung des Existenzminimums, die jedem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in Deutschland zusteht. Die Leistungen sind so ausgelegt, dass den Leistungsbeziehenden ein Leben in Würde ermöglichen sollen.

Doch die staatliche Unterstützung ist an Bedingungen geknüpft. Wenn Bürgergeld-Betroffene diese Bedingungen nicht erfüllen, können mitunter Sanktionen oder Kürzungen drohen, sodass die Leistungen das Existenzminimum unterschreiten.

Was ist das Bürgergeld?

Am 1. Januar 2023 wurde das Arbeitslosengeld II, auch bekannt als Hartz IV, durch das Bürgergeld ersetzt. Neben der Umbenennung gibt es auch einige wesentliche Veränderungen in Bezug auf die Leistungen.

Das Bürgergeld ist eine Leistung des Sozialstaats, die sicherstellt, dass Menschen, die nach Arbeit suchen, eine Grundsicherung erhalten. Das Bürgergeld wird durch das Grundgesetz garantiert, das besagt, dass jeder Mensch in Deutschland das Recht auf ein würdevolles Leben hat.

Das bedeutet, dass der Staat dafür sorgen muss, dass alle Menschen, die nicht genug eigenes Einkommen oder Vermögen für ihren Lebensunterhalt haben, unterstützt werden.

Zusätzlich zur finanziellen Absicherung erhalten diejenigen, die Anspruch auf Bürgergeld haben, Unterstützung bei der Jobsuche und Weiterbildung. Das Ziel des Bürgergeldes ist es, langfristige und nachhaltige Beschäftigung für diejenigen zu fördern, die Leistungen erhalten.

Im Gegensatz zu Hartz IV sollen beim Bürgergeld Anreize für Weiterbildung geschaffen, indem der Vorrang bei der Vermittlung von Arbeitsplätzen aufgehoben wurde. Es gibt auch finanzielle Anreize für Weiterbildungsmaßnahmen.

Wer kann Bürgergeld beantragen?

Bürgergeld wird nur an Personen gezahlt, die in der Lage sind zu arbeiten, aber nicht genug eigenes Einkommen oder Vermögen haben, um ihren Lebensunterhalt zu decken. Wenn andere Leistungen wie Arbeitslosengeld I, Wohngeld oder Kinderzuschlag nicht ausreichen, kann Bürgergeld beantragt werden. Die Jobcenter sollen dabei beratend zur Seite stehen.

Auch Personen, die nicht in der Lage sind zu arbeiten, aber mit jemandem zusammenleben, der Bürgergeld erhält, können Bürgergeld erhalten. Außerdem haben alle Menschen, die vor dem 1. Januar 2023 Anspruch auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld hatten, auch Anspruch auf Bürgergeld. Gemäß § 7 (1) SGB II können Sie Bürgergeld beantragen, wenn Sie

  1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
  2. erwerbsfähig sind, also mindestens 3 Stunden pro Tag arbeiten können,
  3. hilfebedürftig sind und
  4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).

Eine Hilfebedürftigkeit liegt vor, wenn das Einkommen Ihrer Familie oder Haushaltsgemeinschaft nicht ausreicht, um das Existenzminimum zu erreichen. Das heißt, Sie können Ihren Lebensunterhalt nicht vollständig aus eigener Kraft bestreiten.

Eine Erwerbsfähigkeit liegt vor, wenn Sie in der Lage sind, eine Arbeit aufzunehmen, ohne dass Krankheit oder Behinderung Sie daran hindern. Zudem müssen Sie mindestens 15 Stunden pro Woche, beziehungsweise 3 Stunden pro Tag, arbeiten können.

Wie beantrage ich Bürgergeld?

Wenn Sie Bürgergeld-Leistungen beziehen möchten, müssen Sie bei Ihrem zuständigen Jobcenter einen Antrag stellen. Gehen Sie dorthin, lassen Sie sich Antragsformulare geben und füllen Sie sie so gut aus wie Sie können. Zum nächsten Termin bringen Sie am besten alle Ihre Unterlagen mit, denn irgendeine Info fehlt den Sachbearbeitern eigentlich immer noch.

Welche Leistungen umfasst das Bürgergeld?

Die Leistungen, die den Bürgergeld-Beziehenden zustehen, orientieren sich an den jeweiligen Lebensverhältnissen. Das bedeutet, dass zum Beispiel einer alleinerziehenden Mutter von zwei Kindern in einer Mietwohnung mehr Leistungen zustehen, als einem Alleinstehenden, der im eigenen Haus wohnt.

Der Regelbedarf steht allen Personen zu, die Bürgergeld beziehen. Der aktuelle Regelbedarf eines erwachsenen Alleinstehenden im Jahr 2023 beträgt 502 €. Vorhandenes Vermögen kann allerdings auf den Regelbedarf angerechnet werden, so dass weniger als der Regelbedarf ausgezahlt wird. Je nach den persönlichen Umständen muss das Jobcenter auch Mehrbedarf berücksichtigen. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn Sie schwanger oder alleinerziehend sind oder aufgrund einer Krankheit eine kostenaufwändige Ernährung benötigen.

Bürgergeld-Regelbedarf

Der Regelbedarf ist der Mindestbetrag, der jedem Leistungsbezieher, je nach Lebensverhältnissen, zusteht. Er ist zur Bestreitung des Lebensunterhalts gedacht und wird monatlich im Voraus ausgezahlt. Er wird in sechs Bedarfsstufen unterteilt. Sie sind im Jahr 2023 folgendermaßen gestaffelt:

Personengruppe Regelsatz 2023
Alleinstehende 502 EUR
Volljährige Partner in einer Bedarfsgemeinschaft 451 EUR
Erwachsene Kinder unter 25, die noch zu Hause wohnen 402 EUR
Kinder im Alter von 14 bis 17 Jahren 420 EUR
Kinder im Alter von 6 bis 13 Jahren 348 EUR
Kinder bis 6 Jahre 318 EUR

Folgende Kosten müssen gemäß § 5 RBEG aus dem Regelsatz gedeckt werden:

  • Nahrungsmittel, alkoholfreie Getränke
  • Freizeit, Unterhaltung, Kultur
  • Nachrichtenübermittlung
  • Wohnen, Energie, Wohninstandhaltung
  • Bekleidung, Schuhe
  • Verkehr
  • Andere Waren und Dienstleistungen
  • Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände
  • Gesundheitspflege
  • Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen
  • Bildung

Mehrbedarf im Bürgergeld

Mehrbedarfe sind all jene Bedarfe, die nicht durch den Regelbedarf gedeckt sind aber trotzdem für die Bestreitung des Lebensunterhalts nötig sind. Folgende Mehrbedarfe gibt es:

Mehrbedarfe müssen Sie nicht beantragen, doch Sie müssen das Jobcenter darüber informieren, dass Sie Mehrbedarf haben.

Bürgergeld-Leistungen für Unterkunft und Heizung

Die Kosten für die Unterkunft werden gemäß § 22 SGB II grundsätzlich übernommen, sie müssen jedoch angemessen sein. Als Faustregel für die Angemessenheit der Wohnkosten gilt: eine Person lebt in einer 45- 60 m² großen Wohnung. Die angemessenen Kosten pro m² sind abhängig vom Wohnort. Für jede weitere Person werden rund 15 m² an Wohnfläche als angemessen betrachtet.

Im ersten Jahr des Bürgergeld-Bezuges wurde eine sogenannte Karenzzeit eingeführt. In diesem Zeitraum übernimmt das Jobcenter die tatsächlichen Mietkosten der Wohnung, unabhängig davon, ob die Wohnfläche und die Wohnkosten angemessen sind. Nach diesem Jahr folgt in der Regel eine Übergangsfrist von sechs Monaten, in der die Bürgergeld-Beziehenden aufgefordert werden, die Kosten zu senken, beispielsweise durch Untervermietung oder einen Umzug.

Neben den Wohnkosten werden auch die Heizkosten vom Jobcenter übernommen. Die Abgaben für Strom und Warmwasser müssen aus dem Regelbedarf gezahlt werden. Eine Ausnahme stellt heizen mit Strom dar. In diesem Fall wird der Anteil der Stromrechnung, der dem Heizstrom zuzurechnen ist, vom Jobcenter übernommen.

Leistungen, welche nur unter bestimmten Voraussetzungen gewährt werden

In bestimmten Lebenslagen können Ihnen laut § 21 SGB II zusätzliche Leistungen zustehen, die zeitlich begrenzt sind oder nur einmalig ausgezahlt werden. Dazu zählen Erstausstattungen für die Wohnung, Bekleidung, Schwangerschaft oder für therapeutische Gegenstände.

Außerdem können Krankenversicherungsbeiträge bezuschusst oder ganz übernommen werden, Darlehen gewährt und für Kinder Leistungen für Kultur und Freizeit beantragt werden.

Politischer Hintergrund von Hartz IV

Hartz IV wurde am 1. Januar 2005 im Rahmen der Agenda 2010 von der SPD-geführten rot-grünen Bundesregierung unter dem Namen „Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ eingeführt. Ziel der Reformen war eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, um die deutsche Wirtschaft wettbewerbsfähig für die Zukunft zu machen. Deutschland galt zu diesem Zeitpunkt mit Bezug auf die schwache Wirtschaft auch als „der kranke Mann Europas“.

Die Hintermänner

Verantwortlich für die Gestaltung des Gesetzes war die sogenannte Hartz-Kommission deren Vorsitzender Peter Hartz war. Dieser war zum damaligen Zeitpunkt Vorstandsmitglied bei der Volkswagen AG und sowohl Mitglied in der SPD als auch in der IG Metall. Des Weiteren wohnten der Kommission 14 Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik bei.

Die Regierungsparteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen stimmten auf ihren Sonderparteitagen den Leitanträgen ihrer Bundesvorstände mit großen Mehrheiten zu (SPD 80 %, Bündnis 90/Die Grünen 90 %).

Aber auch die Oppositionsparteien hatten bei der Gestaltung des Gesetzes ihre Finger im Spiel. Angela Merkel dankte Gerhard Schröder in ihrer Regierungserklärung sogar für seine mutigen Reformen.

Kritik und Proteste

Die Agenda 2010 und damit auch Hartz IV war im Vorfeld sehr umstritten und es kam zu großen Protesten. Vor allem Wissenschaftler und Arbeitsmarktexperten hatten Zweifel an der Wirksamkeit der neuen Reformen. An deutschlandweiten Demonstrationen in über 140 Städten kamen zeitweise über 100.000 Menschen zusammen um sich gegen das Unrechtssystem zu wehren. Die Hauptkritikpunkte der Gegner waren:

  • Zunehmende Existenzängste bei Arbeitslosen wie Arbeitnehmern
  • Größer werdende Schere zwischen Arm und Reich
  • Spaltung der Gesellschaft
  • Finanzielle Benachteiligung derer, die nicht das klassische Familienmodell leben
  • Verarmung ganzer Generationen in bestimmten Bevölkerungsteilen

Im Nachhinein lässt sich sagen, dass die Kritikpunkte wie befürchtet eingetroffen sind.

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Die Auswirkungen der Hartz-Reformen sind heute noch genauso präsent wie zur Einführung 2005. Die Hälfte der betroffenen Leistungsbezieher hat weniger Geld zur Verfügung als vorher. Außerdem ist die Armutsquote nach oben geschnellt. An ein Leben in Würde, wie es das Grundgesetz proklamiert, ist nicht zu denken.

Aber auch die Beschäftigten merken die Auswirkungen. Die Arbeitslosenzahlen sind zwar gesunken, aber dies nur auf Kosten eines wachsenden Sektors mit prekären Beschäftigungsverhältnissen. Insbesondere die unbefristete Leiharbeit ist ein Treiber dieser Entwicklung. Die Unsicherheit bei den Arbeitnehmenden und die ständige Angst, in Hartz IV abzurutschen, führte zu einer Zurückhaltung beim Konsum, was wiederum negative Auswirkungen auf die Wirtschaft hatte.

Bürgergeld-Reform

Im Januar 2023 trat das Bürgergeld-Gesetz in Kraft und wurde in zwei Schritten umgesetzt: zum 1. Januar und zum 1. Juli 2023. Das Bürgergeld löst somit das umstrittene Arbeitslosengeld II (Hartz IV) ab. Neben höheren Zahlungen bringt es auch verschiedene Änderungen für die Empfängerinnen und Empfänger der bisherigen Grundsicherung mit sich. Der Wechsel zum Bürgergeld wird als eine der größten Sozialreformen der letzten zwei Jahrzehnte angesehen.

Besonders die SPD und die Grünen hatten eine grundlegende Veränderung des Grundsicherungssystems gefordert. Das letztlich vom Bundestag und Bundesrat verabschiedete Gesetz, das Ende November nach teils heftigen Diskussionen auch mit Stimmen der Union beschlossen wurde, enthält jedoch weniger weitreichende Neuerungen als ursprünglich von der rot-grün-gelben Regierung geplant.

Bürgergeld oder bedingungsloses Grundeinkommen?

Viele sehen das bedingungslose Grundeinkommen als eine Alternative zur Grundsicherung an.

In Finnland lief dazu 2018 ein Test unter 2.000 Personen. Die Resultate sind vielversprechend. Die Teilnehmenden gaben an, die Suche nach einer Arbeit motivierter anzugehen und auch, dass der Weg in die Selbstständigkeit für viele nun eine Option sei. Das Grundeinkommen gibt den Menschen wieder mehr Zeit für sich. Grund für die positivere Lebenseinstellung: weniger Stress.

Auch von Seiten der finnischen Behörden gibt es positive Rückmeldungen, denn durch die Vereinfachung des Systems ist der Verwaltungsaufwand deutlich gesunken. Nachrichten, von denen die Jobcenter in Deutschland nur träumen können. Es bleibt also abzuwarten, wann auch bei unseren Politikern ein Umdenken stattfindet und endlich wieder eine menschenwürdige Politik gemacht wird. Ein Berliner Modellprojekt macht Hoffnung!

Quellen:

Sozialgesetzbuch II (SGB II)